Wie hast du Carlotta & Co kennengelernt?
Carlotta und ich haben uns in einem Selbsthilfeforum für sexuellen Missbrauch in der Kindheit kennengelernt. Zuerst haben wir unsere Beiträge nur gegenseitig gelesen und gegebenenfalls kommentiert. Irgendwann haben wir angefangen, uns über PNs (Persönliche Nachrichten) auszutauschen, später dann auch über Facebook-Messenger. Dann war Carlotta in einer Klinik und wir haben SMS-Kontakt gehabt. Es dauerte nicht lange, dann haben wir telefoniert. Und diese Telefongespräche wurden immer länger und häufiger. Mittlerweile telefonieren wir sehr oft und sehr lange. Und jetzt hatte ich die Gelegenheit, Carlotta persönlich kennenzulernen. Ich bin über 900 km mit dem Zug zu ihr gefahren und war ein paar Tage dort. Das war wunderbar, berührend, wichtig. Außerdem hab ich sie für zwei Tage besucht, als sie in einer Krebsklinik in meiner Nähe war.
Wie hast du von Carlottas Geschichte erfahren?
Ich habe ihre Beiträge in diesem Selbsthilfeforum gelesen. Sie hat die Anfänge ihres Buchprojekts auch dort veröffentlicht, die habe ich auch gelesen. Und nachdem ich die gleiche Vergangenheit wie Carlotta habe, hat sich da irgendwann ganz viel Vertrauen und Austausch entwickelt.
Wie hast du Carlotta erlebt?
Carlotta ist unglaublich ehrlich. Aber nie verletzend. Was mich besonders fasziniert und eine Freundschaft so einfach und gut macht, ist, dass sie sowohl gut auf ihre Grenzen achtet, was es für mich einfach macht, weil ich weiß, dass sie Bescheid sagt, wenn es ihr zu viel wird. Aber sie achtet auch sehr gut auf meine Grenzen, fragt immer wieder nach, fragt im Vorfeld, ob das Thema geht, ist da absolut aufmerksam. Das ist wirklich außergewöhnlich und sehr selten.
Sie gibt mir auch immer das Gefühl, „richtig“ zu sein. Ich habe auch DIS und ihre Rückmeldungen sind extrem wichtig für mich.
Carlotta ist eine Kämpferin. Ich denke schon, dass ihre Lebenserfahrungen da ganz viel dazu beigetragen haben. Ich finde es sehr beeindruckend, wie sie mit ihrer Lebensgeschichte umgeht und auch mit ihrer Krebserkrankung und dem Wissen, bald sterben zu müssen.
Gleichzeitig habe ich auch gesehen, wie ihr der Krebs, die Chemo und die ganzen Folgen zusetzen. Und ich habe auch erlebt, dass es durch ihre Stärke, die sie definitiv hat und auch nach außen ausstrahlt, auch Situationen gibt, in der ihr diese Stärke zum Verhängnis wird. In den Momenten ist es für sie schwer, auch Schwäche zuzulassen, obwohl sie es sich wünschen würde. Ich glaube auch, dass die Schwäche vielleicht auch nicht gesehen wird, wie es nötig wäre, weil sie sonst eben immer stark ist.
Wie erlebtest du Carlotta in Krisen?
Im Grunde habe ich ihre Krisen ja immer nur aus der Ferne mitbekommen, weil wir 900 km auseinander wohnen. Ich glaube, sie zeigt da bei Weitem nicht, wie es ihr wirklich geht. Unsere Gespräche in Krisen gingen eigentlich auch da immer eher in eine sachliche Richtung.
Ich habe eher in letzter Zeit, nach ihrer Krebsdiagnose, Krisen mitbekommen. Und so blöd sich das vielleicht anhört – ich bin froh, dass sie das zulassen konnte.
Wie erlebtest du Carlotta gut drauf?
Wir haben viel gelacht bei unseren Telefonaten, haben Stunden telefoniert, haben manchmal jeder gleichzeitig irgendwas gemacht und uns dabei unterhalten. Es war, als wären wir an einem Ort. Das war richtig schön, entspannend, hatte ganz viel Leichtigkeit.
Als wir sie bei ihr zu Hause besucht haben, waren wir an einem Tag am Strand. Und da war sie richtig glücklich. Das war so wunderschön zu sehen.
Sie ist ein sehr lebendiger Mensch, das ist einfach schön.
Auch als wir sie in der Krebsklinik besucht haben, haben wir ihre Lebendigkeit und ihre Freude an so Vielem gespürt. Und das alles trotz ihrer körperlichen Beschwerden.
Was auch schön war: Als ich bei ihr war, habe ich mit einem kindlichen Anteil von ihr Kniffel gespielt. Und diesen Anteil habe ich auch manchmal auf einmal am Telefon. Das ist echt schön und mich freut dieses Vertrauen.
Was würdest du über sie beschreibend sagen?
Carlotta ist ein sehr ehrlicher Mensch, aber nie verletzend dabei. Ich habe das oben eigentlich geschrieben. Sie achtet immer darauf, dass es okay für mich ist, was wir besprechen. Sie sagt ihre Meinung, hört aber auch meine an und wir können drüber diskutieren.
Ja, sie ist stark. Sie lässt sich nicht unterkriegen. Auch wenn es ihr schlecht geht, steht sie schnell wieder auf. Ich denke, ihre schreckliche Vergangenheit hat ihr auch Kraft gegeben. Umso gemeiner ist es, dass sie jetzt gegen diesen unfairen Gegner Krebs letztendlich keine Chance hat.
Sie ist sehr hilfsbereit und ist da, wenn man sie braucht. Aber sie sagt auch ehrlich, wenn es gar nicht geht (wobei da schon viel sein muss), und das schätze ich ungemein.
Wie ging/geht es dir als Freundin mit Carlottas Geschichte? <- damit ist gemeint das Buch /Vergangenheit und auch die jetzige Situation mit dem Krebs und deiner Arbeit am Buch- in Bezug auf eure eigene Geschichte
Ihre Geschichte über den Ausstieg und ihren Weg ist extrem hart und geht über so viele Jahre. Und sie hat trotz allem durchgehalten. Sie ist letztendlich nicht dran zerbrochen, sondern daran gewachsen. Das hätte auch wirklich anders ausgehen können.
Ich habe ihr Buch korrigiert, es dadurch mehrmals gelesen. Normalerweise kann ich, wenn ich etwas korrigiere, den Inhalt ausblenden. Diesmal ist mir das nicht gelungen. Meine Geschichte ist zwar ein vielen Punkten anders, aber das Grunderleben ist gleich und es hat mich sehr gepackt.
Ich muss aber auch sagen, dass es therapeutisch eine Hilfe war und ist. Es hat uns Erkenntnisse gebracht, wir konnten einiges verstehen. Und es arbeitet auch immer noch.
Wir haben ja schon einige Erfahrungsberichte über unsere Themen gelesen. Aber diesmal war es anders. Es ist schon ein Unterschied, wenn man diese Person kennt und lieb gewonnen hat. Wir hatten beim Lesen mehrfach Tränen in den Augen, das will schon was heißen, wir können normal nicht weinen. Es ist wirklich schlimm, was sie erleben musste…
Beim Thema Krebs fühlen wir so viel Ungerechtigkeit. Nach dieser Geschichte – musste das denn wirklich sein? Das ist einfach nur unfair. Und… wir wollen sie einfach auch nicht verlieren. Für uns ist Carlotta unsere wichtigste Freundin geworden. Eigentlich wollen wir sie nicht hergeben müssen…
Gibt es spezielle Erinnerungen, die du über Carlotta mitteilen möchtest, die etwas über sie und euer Verhältnis aussagen?
Spezielle Erinnerungen – da gibt es so viele und durch unsere große Entfernung ist das natürlich ein anderes Verhältnis.
Aber ja… Sie das erste Mal zu sehen, als wir uns vorher nur telefonisch kannten, sofort diese Vertrautheit zu spüren, ich habe mich dort wohl und angenommen gefühlt. Die Tage vergingen wie im Flug und wir hatten nie das Gefühl, irgendein Thema suchen zu müssen. Es hat alles gepasst, das Reden und das Schweigen.
Unsere Tätowierung – wie sie uns vorher versorgt hat, damit wir gut gerüstet sind, die Videoaufnahmen währenddessen…
Der Ausflug an den Strand…
Auch ihre Videos und Bilder, als sie im Sonnenuntergang ins Meer geritten ist, ihre Beschreibung, ihre Freude…
Die Ausflüge, die wir in der Krebsklinik gemacht haben. Und der Bach, der war toll.
Und eben auch die vielen Kleinigkeiten, die es gegeben hat.
Willst du Carlotta & Co noch irgendwas auf diesem Weg mitteilen?
Ich bin sehr dankbar, Carlotta als Freundin gefunden zu haben.
Ich möchte ihr einfach nur sagen: Danke für alles!