Teil 1

Wie es begann…

Carlotta wurde im Januar des Jahres 1980, einen Monat vor dem eigentlichen Geburtstermin, geboren. Sie war das erste Kind ihrer jungen Mutter (21) und ihres Vaters (26) und der ganze Stolz des Großvaters (mütterlicherseits), da sie sein erstes Enkelkind war.

Über die ersten Jahre von Carlotta gibt es nicht viele Informationen. Das was bekannt ist, weiß Carlotta meist durch Erzählungen – nicht aber aus ihrer eigenen Erinnerung, denn schon sehr früh war es für Carlotta durch ihre Lebensumstände nötig zu vergessen/verdrängen/abzuspal­ten.

Bekannt jedoch ist, dass sie in einer Mietwohnung in einer niedersächsischen Kleinstadt mit ihren Eltern (bis zu ihrem 10. Lebensjahr) wohnte.

Im Kindergarten war sie ein schüchternes Kind und malte lieber, als mit anderen Kindern zu spielen.

Im Jahr 1983 wurde ihr kleiner Bruder geboren.

In der Grundschulzeit war Carlotta unauffällig, hatte wenige, aber gute Freunde. Nach der Schule war sie oft bei den Großeltern, die in einem benachbarten Dorf wohnten, da beide Eltern Vollzeit arbeiteten.

Dort unternahm sie viel mit ihrem Opa:

Zum Beispiel ist es eine tolle Erinnerung Carlottas, dass sie mit ihrem Opa zu einem kleinen Hügel spazieren ging. Dort waren viele Kaninchenbauten und es war sehr aufregend, dort alles zu entdecken. In der Zeit, in der Carlotta den Hügel erkundete, machte der Opa ein kleines Lagerfeuer, um im Anschluss auf dem Feuerchen mitgebrachte Würstchen zu kochen und Folienkartoffeln in der Glut zu garen.

Noch eine tolle Erinnerung ist, dass ihr Opa (Tischler) ihr das Schnitzen beibrachte. So verbrachte Carlotta viele glückliche Stunden mit ihrem Opa schnitzend im Keller oder in der kleinen Hütte im Garten.

Aber sie spielte auch gern im Bach hinter dem Haus ihrer Großeltern; versuchte fast täglich ein neues Floß zu bauen (was allerdings nie klappte), Fische zu fangen, Kaulquappen aufzuziehen o.ä.

Im Jahr 1990, als Carlotta 10 Jahre alt war, zog sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder in das Haus ihrer Großeltern, für die eine Wohnung an das Haupthaus angebaut wurde.

Nachfolgend möchte ich noch ein wenig (mehr) auf die Hauptbezugspersonen Carlottas aus dieser Zeit eingehen:

Der Opa

An ihren Opa hat Carlotta auch heute fast nur gute Erinnerungen:

Er war sehr naturverbunden, handwerklich begabt, tierlieb und hat ihr eine Menge beibringen können.

Eine Charaktereigenschaft mochte Carlotta an ihm jedoch gar nicht. Er war sehr festgefahren, traditionell und ständig darauf bedacht, “gut dazustehen”.

Z.B. war ihm das Ansehen der Familie wichtiger, als offen dazu zu stehen, dass er ein Alkohol­problem hatte. Und somit verbaute er sich selber jegliche Hilfe.

Und selbst als sein Sohn (damals 29), der auch ein Alkoholproblem hatte, Therapie machen wollte, hatten Carlottas Großeltern zu ihm gesagt: “Arbeit geht vor. Was sollen denn die Nachbarn denken… Du gehst nicht zum Arzt, sondern zur Arbeit“. Aus Verzweiflung brachte er sich am selben Tag um, indem er sich in der Mittagspause vor einen LKW warf. Er starb noch im Rettungshubschrauber.

Doch durch ihren Opa konnte Carlotta so viel aus der Natur und über Tiere lernen…

Auch hatte er ihr erlaubt, Tiere zu halten.

Der liebste tierische Freund, den Carlotta hatte und der auch lange 8 Jahre bei ihr blieb, war ihr Pferd, Chitano. Ihn hatte sie mit 14 Jahren zur Konfirmation bekommen. Chitano war immer für sie da … Und wenn sie traurig war, ging sie oft zu ihm raus oder auf seine Weide und setzte sich dort ins Gras und weinte. Chitano kam dann immer zu ihr hergelaufen und stupste sie an, „kraulte“ ihr mit seinen Lippen in den Haaren oder versuchte, ihre Tränen abzuschlecken. Die Versorgung des Pferdes, während Carlotta in/mit der Schule beschäftigt war, übernahm ihr Opa.

Das war auch eine tolle Aufgabe für ihn – er hatte als junger Bursche als Helfer in der Landwirtschaft gearbeitet und liebte den Kontakt zu Tieren.

Dann hatte er aber doch Tischler gelernt. In der Tischlerlehre hatte er sich unglücklicherweise 2 Finger an der Kreissäge abgeschnitten und musste ins Krankenhaus. Und gerade als er aus dem Krankenhaus nach der Behandlung rauskam, fiel die erste Bombe auf die Stadt…

Solche Geschichten z.B. erzählte er Carlotta gern. Und viele andere Geschichten:

Während des Krieges sollte er für die Familie Brot kaufen gehen. Auf dem Rückweg traf er einen Flüchtling, der ihm zum Tausch gegen das Brot eine Geige anbot. Er als Kind konnte die damalige Situation nicht überblicken und ging den Tausch ein, weil er die Geige so toll fand. Seine Mutter war sehr böse auf ihn, als er anstatt mit Brot mit der Geige nach Hause kam. Aber diese Geige liebte der Großvater Carlottas bis zu seinem Tod heiß und innig und versuchte immer zu spielen. Doch das ging recht schwer, wegen seiner fehlenden Finger. Und als er im hohen Alter Arthrose in den Schultern hatte, konnte er die Geige noch nicht mal mehr hoch halten – dann zupfte er sie wie eine Gitarre.

Carlotta hat sich übrigens vor Kurzem, nachdem sie erfahren hatte, dass er gestorben war, ein Gedenktattoo stechen lassen: Ein Mädchen, dessen Körper die Geige darstellt und das einen Bogen mit einem Adergeflecht als Saiten in der Hand trägt. Eine Ader bildet dabei ein kleines Herz.

Die Oma

An sie hat Carlotta komischerweise gar nicht so viele eigene Erinnerungen, obwohl sie gelebt hatte, bis Carlotta 20 Jahre alt war.

Ihre Oma war die typische Versorgerin/Hausfrau. Sie versorgte und verwöhnte die komplette Familie, und es gab eine starke Rollenaufteilung. Sie kochte, putzte, machte den Garten, versorgte die Kinder und Enkel…

Der Opa brachte das Geld nach Hause.

Carlottas Großeltern waren beide alkoholabhängig und manchmal wurde es sehr laut zwischen ihnen – das aber nur, wenn sie nicht wussten, dass man sie hörte.

Beide waren überdurchschnittlich darauf bedacht, dass niemand etwas Schlechtes von ihnen dachte. Lieber verstrickten sie sich in Lügen, als etwas zuzugeben, obwohl es ganz klar ersichtlich war, was dort passierte.

Als Carlotta ca. 16 Jahre alt war und sich sorgte, dass sie ihre Großeltern irgendwann wegen der Folgen ihres übermäßigen Alkoholkonsums verlieren könnte, ging sie zu ihrer Mutter und sagte, dass man da doch mal endlich was machen sollte/musste. Sie wollte die Beiden zum Arzt bringen. Sie wollte dem Arzt genau das erzählen, was sie wusste. Sie wollte es nicht ständig bei den Lügen belassen, sondern Hilfe organisieren. Carlottas Mutter entgegnete aber, dass das gar nichts bringe, da sie schon zu lange und zu viel  Alkohol konsumiert hätten und doch nun schon so alt wären. Sie folgerte weiter, dass der Entzug  schädlicher gewesen wäre, als sie noch den Rest ihres Lebens trinken zu lassen. (Carlotta vermutet, dass sie das als Ausrede sagte, denn auch Carlottas Mutter war extrem auf das Ansehen der Familie bedacht – heute weiß Carlotta, dass sie einen guten Grund hatte, jederzeit krampfhaft zu versuchen, nicht ins Gerede der Dorfgemeinschaft zu geraten. Denn sie hatte ein dunkles Geheimnis.)

Carlotta vermutete, dass die Gründe für die Alkoholabhängigkeit ihre Großeltern Kummer und Schuldgefühle waren, weil sie realisiert hatten, dass sie Andi, ihren Sohn, in den Suizid getrieben hatten, als sie ihm Hilfe verweigerten.

Carlotta ging trotz der Worte ihrer Mutter oft heimlich in die Wohnung ihrer Großeltern und schüttete die Alkoholvorräte in den Ausguss und füllte Leitungswasser in die Flaschen zurück.

Sie hoffte, dass dann mal der Frust bei ihnen ausbrechen würde und sie fragen würden: “Warum? Wer war das?” Aber es kam nie eine Reaktion.

Die Mutter

Ihrer Mutter hat Carlotta am meisten “Mist zu verdanken”.

Sie war die Tochter der beiden beschriebenen Großeltern. Sie war wahrscheinlich neben ihrem dunklen Geheimnis auch durch die Erziehung ihrer Eltern extrem darauf fixiert, nicht negativ aufzufallen, und hat das irrsinnig hart durchgezogen. Sie war zwanghaft perfektionistisch und knallhart. Gefangen in ihrer eigenen Wut, in ihren Augen nicht perfekt zu sein.

Oft denkt Carlotta heute, dass sie vielleicht auch eine Persönlichkeitsstörung hat, denn sie hatte ganz klar mehrere Gesichter. Ganz sicher war sie aber auch eine Sadistin.

Sie hatte stets das Ziel, “etwas Besseres” zu sein und zu gefallen, und trat ganz stark mit ihrer Freundin und deren Mann in „versteckte Rivalität“. Denn wenn sie zusammentrafen, waren sie „beste, dickste Freunde“, damit sie sich im Glanz von ihnen sonnen konnte. Kaum waren sie weg, wurde gelästert und niedergemacht.

Man muss dazu sagen, diese „Freundin“ und ihr Mann waren unheimlich vermögend und auch sehr oberflächlich und nur auf Äußerlichkeiten bedacht. So wurde z.B. nur immer das teuerste und beste Auto gefahren, Schönheits-OPs durchgeführt, der teuerste und beste Urlaub gemacht, die Wohnung exquisit umgestaltet usw… Carlottas Mutter war dies finanziell nicht möglich.

Und doch wollte sie immer innerhalb ihrer Möglichkeiten mithalten und war frustriert und wütend, dass sie gar nicht die Voraussetzungen dazu hatte.

Diese Wut und Enttäuschung ließ sie „gern“ an Carlotta aus:

Wenn sie auf Partys ging (und das war wirklich sehr, sehr oft), brauchte sie stundenlang, um sich ihre „tolle Maske“ aufzusetzen… Sie zog sich zig Mal um und nötigte Carlotta (schon als Kind), ihr zu sagen, dass sie gut aussehe. Dies geschah in mega schlechter Laune… die aufgeheizte Stimmung war richtig spürbar. Carlotta sollte dann im Flur am großen Spiegel warten, bis ihre Mutter ein erneutes Outfit präsentierte. Carlotta sollte beurteilen, ob es gut aussah oder nicht.

Als Kind konnte Carlotta das nicht entscheiden… sie empfand ihre Mutter immer als schön. Und doch musste sie versuchen herauszufinden, was die Mutter selber hören wollte, um nicht bestraft zu werden.

Carlottas Mutter hatte auch die Angewohnheit, ständig Diäten zu machen oder Abnehm-Pillen zu schlucken, die sie sich zum Teil illegal aus dem Ausland holte, da diese in Deutschland nicht zugelassen waren. Und da Carlotta ihrer Meinung nach nicht früh genug anfangen könnte, auf ihre Figur zu achten (dabei war ihre kindliche Figur völlig in Ordnung), zwang sie sie, die Tabletten auch zu nehmen oder die Diät mitzuführen.

Dadurch hatte sie Carlottas Essverhalten schon sehr, sehr früh völlig ruiniert. Carlotta hatte nie die Möglichkeit, ein natürliches Essverhalten zu erlernen.

Auch Demütigung, Schmerz und “böse Spielchen” durch ihre Mutter waren an der Tagesordnung.

Heute ist klar, dadurch dass Carlotta nach und nach ihre Traumapuzzleteile immer weiter erinnern und zusammenfügen konnte, dass die sadistische Mutter eine grundlegende und wichtige Rolle und Ursache für die Aufspaltungen Carlottas war. Sie legte unter anderem die Grundlagen ab Geburt im häuslichen Umfeld, auf denen andere Täter wenig später aufbauen konnten.

Ob das genau so geplant war, ist nicht 100%ig klar – da gibt es keine Erinnerungen, die das verdeutlichen würden, aber es ist recht plausibel, da sie auch innerhalb des Kults eine Funktion hatte. Aber das wird Carlotta, wie bereits gesagt, erst viel später im Zuge der Aufarbeitung bewusst.

Zum Beispiel meinte die Mutter, es wäre wichtig, dass Carlotta schon früh lernte, still zu sein und keine Bedürfnisse zu haben… zu dissoziieren.

Schon als Baby wurde Carlotta Männern zugeführt, die den Saugreflex „nutzen“ durften; im Gitterbettchen festgebunden; in Truhen gelegt, bis sie nicht mehr schrie; später in kaltes Wasser (Badewanne/Regentonne) getaucht; eiskalt abgeduscht… Und es wurde „geübt“, dass Carlotta schon früh lernte, was heiß und kalt wäre (an der Herdplatte). Naja… ihr könnt euch die Umsetzung vielleicht vorstellen.

Das Ziel von Carlottas Mutter war es auf jeden Fall, Carlotta immer und immer wieder klar zu machen, welchen Platz sie in der Familie einnahm – nämlich die Rolle derer, die immer einstecken musste und dabei nur keine Widerworte oder Eigenwehr haben durfte, sondern gehorchen sollte.

Carlotta versuchte aus ihrer Not heraus immer, ihrer Mutter zu gefallen und richtig zu sein – aus Angst vor Bestrafung und auch auf der Suche nach einem kleinen bisschen Liebe und Aufmerksamkeit. Doch das war gar nicht so einfach und kalkulierbar, da die Mutter so sprunghaft und unberechenbar war.

Zum Beispiel konnte es mal richtig sein, gut in der Schule zu sein – dann zum Beispiel, wenn die Mutter ihre schlaue, tolle Tochter vor anderen Außenstehenden präsentieren konnte. Dann wiederum, wenn niemand dabei war, wurde Carlotta für ihre Leistungen bestraft, weil sie bloß nicht denken sollte, dass die Mutter sich diese Hochnäsigkeit von Carlotta bieten ließe.

Und sowas zog sich durch die komplette Kindheit.

Es war ein Spießroutenlauf für Carlotta.

Der Vater

Zu ihrem Vater hat Carlotta die komplette Zeit keine wirkliche Beziehung aufbauen können. Er war zwar da, aber irgendwie auch nicht wirklich…

Er stand ziemlich unter der Kandare der Mutter und passte sich den „Wünschen“ seiner Frau an.

Sein wahres Ich zeigte er nicht. Gegen die Mutter setzte er sich nie durch. Er flüchtete sich eher in die Arbeit.

Manchmal traute er sich allerdings, seine Wünsche und Unzufriedenheit zu äußern. Dies jedoch nur, wenn er getrunken hatte. Am nächsten Tag wurde nicht weiter darüber geredet.

Man könnte meinen, Carlotta hätte unter ihm und seinem Verhalten nicht zu leiden gehabt. Doch das stimmt nicht, denn er wurde durch die Mutter herumkommandiert und wurde auch zum Täter an Carlotta.

Z.B. wurde er immer herbei gerufen oder es wurde damit gedroht, dass er gleich kommen würde, wenn die Mutter bei Carlotta nicht weiterkam. Carlottas Mutter dachte, wenn er als Mann mit mehr Kraft zuschlägt, würde das mehr Eindruck hinterlassen. Was sie nicht kalkuliert hatte, war, dass Carlotta längst eine schmerzunempfindliche Persönlichkeit gebildet hatte und alles ohne Reaktion ertrug. Das machte Carlottas Mutter fast rasend in solchen Situationen.

Viel später auf ihrem Weg der Heilung erinnerte Carlotta, dass ihr Vater sie als „Ersatz-Frau“ hergenommen hatte, als die Mutter an Krebs erkrankt war. Und dies alles im Auftrag der Mutter.

Eine weitere Erinnerung ist, dass er Carlotta oft am Wochenende mit zu dem Fabrikgelände seiner Arbeitsstelle nahm, und Carlotta dort mit einem Arbeitskollegen allein ließ, damit dieser mit ihr “Spaß” haben konnte.

Der Bruder

Er war/ist drei Jahre jünger als Carlotta.

Auch zu ihm hat Carlotta keine wirkliche Beziehung aufbauen können. Es entstand eher eine Konkurrenz. Der Bruder schien immer ohne Grund bevorzugt zu werden. Und so sehr sich Carlotta auch anstrengte, sie konnte augenscheinlich nie den „Stand“ des Bruders erreichen.

Carlottas Bruder war einfach besser angepasst an die Ideale der Familie:

Er hatte keine Probleme, soziale Kontakte innerhalb des gewünschten Kreises (Dorf/Sportvereine/…) zu finden – er war überall bekannt und beliebt.

Gewünschte Kreise bedeuteten in Carlottas Familie eine Gruppe von Menschen (Tätern), die immer und immer wieder in verschiedensten Kontexten miteinander verbunden waren. Somit war der Einfluss und die Kontrolle auf/über Carlotta und andere Kinder dieses großen Familien-Bekanntenkreises fast immer und überall gegeben . Das umfasste Begriffe wie Nachbarschaft, Patenschaft, Freundschaft, Verwandtschaft, Sportverein, Schützenverein… besonders aber auch den Musikverein. Von klein auf war Carlotta dort Tanzmädchen bei den Miniretten in kurzem Uniformröckchen, weißen Schnallenschuhen und Twirlingstab und lernte, auf Kommando zu gefallen. So gab es auch im hellen Alltagsleben immer wieder Verflechtungen und Dinge, die genutzt wurden, um Carlotta zu dressieren… und um sie anderen Tätern in der Öffentlichkeit unauffällig zu präsentieren. Doch all das war Carlotta zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar.

Zurück zum Bruder. Er war, wie erwähnt, der schon immer besser Angepasste.

Carlotta dagegen brachte sich selbst durch ihr Streben, „auch gut zu sein“, in andere Kreise hinein – allein dadurch, dass sie aufs Gymnasium ging, das 20km vom Wohnort entfernt lag. Sie hatte andere Freunde/Bekannte/Kreise.

Es gefiel der Mutter gar nicht, durch die Entfernung etwas an Überwachung/Macht über Carlotta zu verlieren.

Ob nun der Bruder allein wegen des Geschlechts bevorteilt wurde, ist nicht wirklich klar.

Eine Erinnerung Carlottas bestätigt aber, dass auch er als Kind Opfer von Folter/Qual/Abrich­tung der satanischen Sekte war.

Heute ist er vermutlich immer noch aktiv im Kult und hat die Seiten gewechselt (vom Opfer zum Täter) bzw. hat sich nie schützen können, um so etwas nicht tun zu müssen. Vielleicht war er irgendwann davon überzeugt, dass seine Wahl richtig war/ist…

Die dunkle Parallelwelt

Wie bereits vorher schon kurz erwähnt, um die Verflechtungen der verschiedenen „Welten“ zu verdeutlichen, gab es neben dem Familien- und Alltagsleben auch noch die dunkle Welt (satanische/rituelle Welt), die sich verborgen abspielte.

Der Hauptakteur war Carlottas Onkel (väterlicherseits), doch auch Carlottas Eltern hatten Anteil daran.

Der Onkel Carlottas war innerhalb dieser Sekte ein hohes Tier.

Als Nichte wurde sie schon mit knapp 2 Jahren dort eingeführt.

Zuerst waren es die „erzieherischen Camps“, die den einzigen Zweck hatten, Carlotta bewusst zu spalten und zu brechen, damit sie in den folgenden offiziellen satanischen Ritualen und für andere Gruppierungen funktionierte.

Diese „erzieherischen Camps“ waren in zwei Schritte unterteilt:

In ganz jungen Jahren und zu Anfang fand dies in den Kellerräumen der Villa von Carlottas Onkel statt. Dort waren auch viele andere Kinder ungefähr gleichen Alters, die das Gleiche erleiden mussten. Es wurde dort kontinuierlich die Schwelle des Ekels und der Gegenwehr verringert und die Schwelle des Ertragbaren (durch Spaltung und Dissoziation) erhöht. Es war wirklich aus deren Sicht gut durchdacht und geplant. Und die Schritte wurden immer weiter aufgebaut. Es wurde mit der kindlichen Angst, der Überlebenskraft und dem Überlebenswillen gespielt.

Beispielhafte „erzieherische Maßnahmen“ waren:

  • Eine Badewanne mit kaltem Wasser… Es sollte gewünschtes Verhalten gezeigt werden, ansonsten wurde Carlotta fast bis zum Ertrinken mit dem Kopf unter Wasser gedrückt. Oftmals war es hart an der Grenze zum Tod. Einige Male war Carlotta bereits ohnmächtig – bevor der Kopf aus dem Wasser herausgezogen wurde und sie dann Schläge ins Gesicht bekam, um weiter zu atmen. Mit jedem Mal sanken die Kraft und der Mut zum Widerstand.
  • Ekeltraining: es mussten eklige Dinge (anfangs Verdorbenes, dann zum Schluss hin Blut, Kot, Urin, Sperma, eklige Insekten,…Tierfleisch) ohne Brechreiz oder anderen Reaktionen gegessen bzw. getrunken werden. Oft klappte dies nicht, denn der Körper reagierte nun mal. Die Strafe war dann, das Erbrochene UND das Eklige zu essen – oder die Toilette abzulecken oder oder… Ein Ende gab es nur, wenn das erledigt war, was die Täter befohlen hatten.
  • Eine ”beliebte” Maßnahme war auch Fixierung/Isolation/Hunger/Durst… in einem Raum/einer Kiste o.ä.
  • Die Kinder wurden auch gedrillt, sich nicht zusammen zu tun. Es war klar, keiner konnte dem anderen vertrauen, denn im Zweifelsfall mussten sie sich selber oder auch den anderen Kindern etwas antun. Das geschah natürlich nicht ohne innere Gegenwehr, doch durch die Strafen und Gewalt war klar, dass es nur den Weg des Gehorchens gab, anderenfalls wäre es nicht überlebbar gewesen und würde nie enden.
  • Auch erstes Ertragen von sexuellem Missbrauch, Fotos, Schlägen… wurde „eingeübt“.

Es war bei jeder “Aufgabe” so, dass es erst vorbei war mit Schmerz/Folter/Qual/Leid für Carlotta und die anderen Kinder, wenn sie das gewünschte Verhalten gezeigt hatten.

Durch dieses “Training” entstanden immer mehr und mehr abgespaltene Persönlichkeitsanteile, die dann irgendwann einfach so auf Anweisungen funktionierten und keinerlei Gegenwehr mehr zeigten.

Die zweite Stufe des „Erzieherischen Camps“ war an anderem Ort: Es war ein großes Gebäude in der Umgebung.

Auch dieses Training wurde mit mehreren Kindern der satanischen Sekte durchgeführt.

Hingebracht wurden die Kinder in Lieferwagen. Dann im „Wartebereich“ wurden die Kinder jeweils in einer Nische mit Ketten an der Wand gefesselt. Oftmals wusste keines der Kinder, ob es am damaligen Tag in DIESEN RAUM DES TRAININGS musste oder nicht?? Es herrschte eine heftige Angststimmung und Stille. Und jedes Mal, wenn Geräusche zu hören waren/Türen geöffnet wurden etc., war die Angst für Carlotta kaum auszuhalten. Jedes Mal mit der Frage: Bin ich jetzt dran?

Ich vermute, dass dieses Warten auch zu dem Plan der Täter gehörte… Mürbe machen, erleichtert sein, wenn es ein anderes Kind traf, …

In DIESEM RAUM war das Training schon etwas “fortgeschrittener” Art: D.h. die Dissoziations- und Spaltungsfähigkeit war Grundlage ihrer Manipulation/Folter.

Auch hier beispielhaft:

  • Es gab dort einen medizinischen Tisch mit Fesselungsvorrichtung.
  • Es gab dort zig Geräte, die einfach nur weh taten.
  • Es gab Elektroschockgeräte.
  • Es gab Käfige.
  • Es gab abgerichtete Hunde.
  • Es gab Drogen, die zum Einsatz kamen.
  • Es gab dort Täter, die weiterhin sexuelle Übergriffe vornahmen und Carlotta so trainierten, dass sie es wort- und wehrlos ertrug – und sogar so etwas wie Freude/Lachen und Lust daran zeigen musste.
    Dort war es das Ziel, bewusst Anteile zu erschaffen, die den Tätern aufs Wort gehorchen. Auch wurden dort Personen erschaffen, die ihre Taten (die das Wissen, was dort passierte, „konservierten“) absicherten:
    • Die z.B. die Aufgabe hatten, das Persönlichkeitssystem zu überwachen…
    • Und wenn Verrat drohte, einzugreifen/Gegenmaßnahmen zu starten.
    • Notfalls sich selber umzubringen – bevor etwas verraten werden würde.
    • Die regelmäßig Kontakt zu den Tätern aufnahmen und erzählten, was in der Zwischenzeit im „hellen Leben“ gelaufen war.
    • Die bewusst nach Zeichen suchten, die ihnen von den Tätern unauffällig im Alltag gegeben werden konnten… und die dann ein Verhalten auslösten.
    • Die beim Anblick von Helferpersonen/Institutionen (Ärzte/ Polizei/…) automatisch nach vorne kamen und NICHTS erzählten.
    • Die an bestimmten Tagen die Täter aufsuchten.

Die Welten „Familienleben“ und „Parallelwelt“ liefen in Carlottas Wahrnehmung wirklich komplett voneinander getrennt ab. In Wirklichkeit gab es nämlich doch sehr viele Verflechtungen von Menschen, die sowohl in Carlotta & Cos Alltag als auch in der dunklen Parallelwelt und auch in den Kinder-Prostitutions-/Pornografie-Kreisen immer und immer wieder die gleichen waren. Doch das wurde nicht bewusst. D.h. die kleine Carlotta, die zur Schule ging etc., wusste nichts von dem, was in der Parallelwelt passierte. Denn die „abgerichteten, traumatisierten, dunklen Anteile“ lebten nur in der „Parallelzeit“ und die „Hellen/Alltagsanteile“ lebten nur im Alltag. Keiner hatte Erinnerungen an den anderen Part.

Das war wohl auch der Grund, weshalb es nie jemandem auffiel, was Carlotta zu durchleben hatte.

Die Täter investierten unheimlich viel Aufwand in ihren Schutz; lebten unauffällig in der Umgebung. Es war ihnen nichts anzumerken im Alltag. Sie waren wie jeder andere auch.

Bis zum Alter von 4-5 waren schon zig Anteile mit den verschiedensten Aufgaben für die verschiedenen „Welten“ in Carlotta entstanden. Und mit 4-5 Jahren war auch der erste Einsatz an „wirklich“ rituellen/satanischen Zeremonien.

Rituelle Zeremonien gab es ab dieser Zeit dann sehr, sehr oft und regelmäßig. Nachts, im Dunklen, an geheimen Orten oder in geheimen Gebäuden.

Rituelle, satanische Zeremonien waren meist recht ähnlich vom Ablauf, und doch unterschieden sie sich je nach Anlass und Feiertag.

Carlotta traut sich bis heute nicht, wirklich detailliert über solche Zeremonien zu reden, denn das, was da ablief, war sehr, sehr erschreckend.

Ganz klar zu erkennen war, dass dort eine ganz, ganz starke Hierarchie/Aufgaben- und Machtverteilung herrschte. Oft war es auch an der Kleidung der Leute dort zu erkennen, welchen Rang sie einnahmen und welche Rechte sie innerhalb dieser Gruppe hatten.

Und man kann allgemeingültig sagen: Die Informationen über die Machenschaften sind auch gestaffelt verteilt. D.h., der mit der meisten Macht weiß am meisten und hat den meisten Einfluss. Die unter ihm haben weniger Wissen – meist nur über Teilbereiche. Die „Opfer“ haben fast gar kein Wissen – außer das, was sie an sich zu ertragen haben – und dies ist gut geschützt durch Spaltung/Verwirrung/Drogeneinsatz/innere Erinnerungsbarrieren.

Die geringste Chance haben die „Opfer“ ohne Verbindungen, d.h. Menschen/Kinder, bei denen nicht auffällt, wenn sie plötzlich nicht mehr da sind. Das sind Straßenkinder, Prostituierte, Menschen ohne Pass/Aufenthaltsrecht… oder Babys/Föten von Mitgliedern.

Carlotta sollte zu einer Person „herandressiert“ werden, die später einen mittelhohen Posten übernehmen sollte, da sie die Nichte des Ranghöchsten war. Doch auch dafür musste sie als Mädchen/Frau einiges ertragen.

Fast noch schlimmer war es, was sie selber tun musste an anderen Lebewesen. Doch da war es schon zu spät. Sie hatte keine Kraft mehr für Widerstand und hatte schon zu sehr verinnerlicht, dass Weigerung es nur noch schlimmer machte. Es gab bereits abgerichtete Anteile, die dies dann übernahmen.

Und um auch immer ein Druckmittel zu haben, wurden diese „Taten“ Carlottas gefilmt und es wurde ihr damit gedroht, dass diese Filme sofort zur Polizei geschickt würden, sobald Carlotta sich von den Tätern hätte lösen wollen. Und damit würde die ganze Welt erkennen, was für ein schlechtes Kind sie wäre, sie würde ins Gefängnis oder in eine Klapse kommen und nie wieder raus kommen.

Etwa 6jährig war Carlotta bereits so weit, dass sie gewinnbringend an eine andere Organisation weitervermittelt werden konnte. Dann übernahmen andere Täter die Kontrolle über Carlotta; für immer mal wieder ein Wochenende; in einer anderen großen Stadt; in einem Kinderbordell. Dieses Bordell war in einer Wohnung in einem Hinterhaus. Es bestand aus einem langem Flur mit jeweils links und rechts abgehenden Zimmern, hinter deren Türen jeweils ein junges Mädchen oder Junge eingepfercht war. Die Freier konnten das Haus unauffällig/ungesehen betreten und zahlten sehr viel Geld…

Manchmal verlangten Freier sogar mehrere Kinder, so dass die Anteile von Carlotta auch Kontakt zu anderen Kindern hatten. Leider nur in solchen Situationen. Und doch entstand wohl eine Verbindung in der Not, denn auch heute noch fragt ein Anteil von Carlotta nach Liliana, die plötzlich verschwand aus dem Bordell. Bis heute ist nicht klar, was mit Liliana passiert war.

In der gleichen Stadt gab es noch einen Raum, in dem Kinderpornografie entstand. Fotos und Filme. Von Carlotta und anderen Kindern in Missbrauchssituationen mit einzelnen oder mehreren Männern. Manchmal in ganz abstruse „Hintergrundgeschichten“ eingepackt. 

Und dann gab es in diesem Haus noch den Keller. Dieser war abgetrennt vom „üblichen Kinderprostitutions- und -pornografie-Bereich“ und noch mal ein Extrabereich für besonders sadistische, besonders gewaltvolle und perverse Kunden und Kundengruppen mit Extrawünschen. Carlotta & Co möchten hierzu nicht näher beschreibend ins Detail gehen. Zum einen, um nicht noch mehr zu triggern, denn durch die Schlagworte wird wohl deutlich genug, in welche Richtung das ging… aber auch, um nicht irgendwelche voyeuristischen Bedürfnisse zu befriedigen. (Sie ist sich sehr bewusst, dass sich im www so einige Menschen tummeln… und man nie weiß, wer was wann und wo liest und damit anstellt.)

Der Alltag von Carlotta sah zu der Zeit so aus:

Ab 1990 lebte sie mit ihren Eltern in dem Haus der Großeltern – für diese wurde am Haus noch eine zusätzliche Wohnung angebaut.

Carlotta hatte die Grundschule mittlerweile abgeschlossen und ging für 2 Jahre auf die Orientierungsstufe.

In ihrer Freizeit (nach der Schule) hatte sie Tiere für sich entdeckt. Im nächsten Dorf gab es einen kleinen Hof, der viele verschiedene Tiere hatte: Da gab es Hunde, Katzen, Enten, Gänse, Hühner, Kaninchen, Meerschweinchen, Schafe, Ziegen, Schweine und Ponys. Carlotta kümmerte sich gern um diese Tiere. Sie fuhr nach der Schule mit dem Fahrrad dorthin und fütterte und tränkte die Tiere. Putzte die Ponys, ritt ein wenig. Half beim Misten, Heu machen,… usw. Diese Stunden machten sie sehr glücklich und zufrieden.

Allerdings kam es, wie es kommen musste.

Vielleicht hatte sie solch eine Ausstrahlung oder es war von Anfang an organisiert/abgespro­chen…

Auch der Hofbesitzer konnte die Finger nicht von Carlotta lassen. Trotzdem ging sie immer wieder dorthin. Sie wusste es wahrscheinlich nicht besser, dass dies kein normaler Umgang war. Sie ging dorthin, bis sie mit 14 schließlich ihr eigenes Pferd, Chitano, bekam und keine Zeit mehr für die Tiere auf dem Hof hatte.

Nach 2 Jahren Orientierungsstufe ging Carlotta dann auf ein Gymnasium. Damals war Carlotta 12 Jahre alt. Es war ein Gymnasium, das einen guten Ruf hatte und in das meist Kinder von reicheren, gut situierten Eltern zur Schule gingen. Carlotta war nicht so ein Kind. Oft hatte sie Probleme dadurch, dass sie nicht gelernt hatte, grammatikalisch richtig zu sprechen. Doch sie versuchte sich anzupassen und es gelang ihr, neue Freunde zu finden. Sie durfte auch zu diesen Freundinnen zu Besuch z.B. übers Wochenende, aber auch nur, wenn keine anderen „Termine“ nachts anstanden.

So lernte Carlotta eine ganz andere Art von Leben kennen. Sie war recht erstaunt, dass ihr Familienleben nicht normal zu sein schien, denn davon war sie eigentlich immer ausgegangen. Zu reden traute sie sich trotzdem nicht, denn sie schämte sich… und hatte Angst.

ES
Wenn ich an Es denke, wird alles schwarz und finster.
Es bestimmt mein Leben und lässt sich nicht verdrängen.
Oft versuche ich, Es zu vergessen, doch es nützt nichts.
Es ist nunmal geschehen
und die Vergangenheit kann man nicht verändern.
Immer zieht Es einen erneut runter.
Mein Leben ist dadurch schwer –
schwerer als es sein könnte.
Es verursacht Probleme, die man nicht ändern kann –
nicht allein.
Aber ich schweige, wenn es um Es geht.
Ich möchte, dass mir geholfen wird,
doch… ich schweige.
Warum auch immer!?

Damals, während der Pubertät, begannen die ersten Probleme sichtbar zu werden.

Sie versuchte, die ersten Veränderungen an ihrem Körper – vielleicht auch zum Druckausgleich – durch ihre geringe Nahrungszufuhr zu kontrollieren.

Das fiel lange Zeit niemandem auf.

Sie wurde regelrecht kontrollsüchtig… Sie versuchte, zumindest über ihren Körper Kontrolle zu bekommen, da sie sonst nichts kontrollieren und entscheiden durfte.