Wichtige, erschreckene Erkenntnis
Nach dem Telefonat versuchte Carlotta, mit all den neuen Erkenntnissen klar zu kommen. Doch es war zu viel… es war zu schwer… es war zu hart zu erfassen.
Erst jetzt erfuhr Carlotta von dem Täterkontakt via SMS. Erst jetzt passte ihr komisches Gefühl, das sie gehabt hatte. Erst jetzt begriff sie diesen krassen Weglaufdruck. Erst jetzt erfuhr sie ihre Realität:
Ihre alte Tätergruppe wollte sie zurück und sie war auch schon an die neue Tätergruppe in Kleiningen verraten worden. Sie war schon bekannt. Sie konnte eigentlich nur noch auf den Zeitpunkt warten, wann es weiterging.
Wir kommen uns vor, als ob wir fallen, ganz tief, in einen dunklen Tunnel. Wir haben es nicht geschafft, sondern sind gefallen in die Ohnmacht, in das Chaos, in die Angst, in den Krieg untereinander. Einige möchten sich noch festhalten, andere streben auf den Grund zu. Allerdings weiß niemand, was im tiefsten Dunkel auf uns wartet. Wir haben Angst vor dem Ende. Vor dem Ende, bevor ein neuer Anfang beginnt. Und so sitzen wir hier, geschwächt, wartend und zitternd vor dem was kommen mag! |
Es kämpften in ihr die unterschiedlichen Reaktionen darauf. Manche Anteile waren einfach nur panisch, wollten lieber nachgeben und täterregelgerecht dem Druck nachgeben, weil sie Angst hatten, das so alles nicht zu überleben. Sie wollten zurück, weil sie den ganzen Ausstiegsversuch als gescheitert ansahen.
Weitere schlossen sich an und waren der Meinung, dass es in der alten Umgebung zumindest ein funktionierendes Helfernetz gäbe und somit die Chancen auf Veränderung dort besser wären. Wieder andere sagten sich: wenn wir wegen jeder Kleinigkeit und Schwierigkeit einen groß geplanten Ausstiegsversuch abbrächen, dann wären wir wirklich dumm. Denn es war doch zu erwarten, dass nicht alles reibungslos klappen würde. Dunkle feierten ihren Triumph und setzten alles daran, ihre Position weiter zu verstärken, indem sie Hoffnungen und Schutzpläne innerlich bedrohten. Und da war noch so viel mehr. Alles gegensätzlich und den Umständen geschuldet scharf umkämpft, so dass nur noch ein wild chaotischer Haufen von Anteilen als Resultat übrigblieb.
Carlotta sah in ihrer Lage keine andere Möglichkeit als einfach weiterzumachen. Nicht groß nachzudenken, sondern einfach weiterzugehen.
Frau Sommer hatte angeboten, nun jede Woche einmal mit Carlotta zu telefonieren, um weiterzugucken, was nun helfen könnte.
Auch ein neuer gesetzlicher Betreuer wurde gesucht und nach einem Erstgespräch mit sämtlichen Aufgabengebieten bestellt.
In dieser Situation waren Herr Pohl, mit dem Carlotta die Therapie nun erst recht von den Betreuern aus bestimmt nicht abbrechen durfte, und die zuständige Betreuerin Kerstin des Wohnheims nicht sehr hilfreich. Sie erschwerten es eigentlich nur noch für Carlotta.
Herr Pohl kam mit der Instabilität von Carlotta in den Sitzungen nicht klar und stellte nur wieder eine neue unsinnige Regel auf: Wenn Carlotta es nicht schaffte, einen ungeplanten Switch nach einer Minute wieder zu beenden und er nicht die Person, mit der er arbeiten wollte, wieder ansprechen könnte, würde er die Sitzung abbrechen.
In den Gesprächen mit der Bezugsbetreuerin Kerstin entstanden immer mehr Situationen, in denen Carlotta sich nicht verstanden fühlte. Sie hatte versucht, es immer und immer wieder zu erklären, aber hoffte leider vergeblich auf Verstehen, auf ein „ich bin an eurer Seite“, auf „wir gucken zusammen, was es braucht“. Und deswegen wurde es in Folge erschreckend ruhig in den Terminen mit Kerstin.
Da kam das Angebot auf ein erneutes Treffen von Sven genau richtig, um aus dieser Welt aus Hoffnungslosigkeit, Frust, Panik, Kämpfen und dem ganzen Chaos auszubrechen. Carlotta und ein weiterer, eher jugendlicher Anteil trafen sich mit Sven und es kam, wie es kommen musste. Nach einer langen Nacht in der Stadt mit Alkohol, Musik und Tanzen fuhr Carlotta mit Sven an den nahegelegenen Strand und sie hatten Sex.
Der einzige, dem sich Carlotta so wirklich im nicht-professionellen Kontext anvertrauen konnte, war Jannis, ihr ehemaliger Mitbewohner aus der WG ihrer alten Heimat. Ihre jetzigen Mitbewohner inklusive Nika versuchte Carlotta noch zu schonen.
Doch auch der Kontakt zu Jannis wurde unter dieser belastenden Situation immer schwieriger. Er kam mit Carlottas Umgang mit ihrer Lebensrealität nicht klar. Er hatte sich wohl gewünscht, dass nach dem Umzug alles gut werden würde. Und dass nun doch alles anders gekommen war, machte ihn völlig panisch. Er redete immer und immer wieder auf Carlotta ein, dass sie doch endlich etwas tun müsste. Allerdings hatte er auch keine Lösung, wie Carlotta mit ihrem aktuellen Hilfsnetz und ihrer inneren Dynamik dagegen ankommen sollte. Sie gerieten darüber immer wieder in Streit und schrien sich an. Carlotta durfte sich Sprüche anhören wie: „Wenn du nicht endlich mal was tust, dann breche ich die Freundschaft ab. Dann ist es mir egal, wenn du verreckst.“
Oft weinten sie aber auch zusammen.
Den Betreuern war infolge der ganzen Geschehnisse aber auch klargeworden, dass Carlotta dringend Unterstützung von einem Fachmann/einer Fachfrau benötigte und dass die Therapie bei Herrn Pohl nicht passend war. Und so wurde eine neue Therapeutensuche gestartet.
Carlotta schrieb in ihr Tagebuch:
„Bin in der Zwischenzeit echt ganz schön abgerutscht. In eine völlige Depri-Phase. Es klingt alles so aussichtslos, alles klappt nicht. Es ist so hart zu erkennen, dass dieses Wort Ausstieg noch viel schwerer ist, als ich es mir je hätte denken können. Wir kämpfen doch schon so sehr, sehr hart und doch scheint alles nicht auszureichen. Wir werden immer wieder enttäuscht: Wir enttäuschen uns selbst, wir enttäuschen andere und andere enttäuschen uns.
Wie blöd waren wir, dass wir den aufmunternden Worten derer, die den Ausstieg und Umzug in die Sicherheit (haha!!!) so anpriesen, glauben wollten? Fast ein viertel Jahr ist es her und wo sind wir angekommen? Wer sind wir geworden? Heim, ohne Selbstentscheidung (Schuhe weg, Geld weg, Ausgang allein nicht erlaubt), mit Medis ruhiggestellt, Selbstverletzungen am laufenden Meter, Bulimie so stark, dass ich mich selbst nur noch ankotze, irgendwelche schwachsinnigen Fluchtaktionen in zumindest kurze leichte Zeiten… um nicht davon zu sprechen, was jetzt seit Kurzem klar ist. Eine Hoffnung auf Sicherheit ade… tschüss, mach‘s gut!
Alles in allem ganz schön kacke. Wir sind absolut nicht mehr fähig, irgendwas zu leisten und zu garantieren. Selbst von einem normalen Tagesablauf sind wir weit entfernt. Tja, und verstehen kann das grad auch keiner. Ich blick doch selbst auch nicht durch! Ich kann nur sagen „Leben, ich sehne mich nach dir“ Und… ach, ich weiß auch nicht. Es ist wirklich hart an der Grenze, dass ich nicht einfach alles hinschmeißen will.
Und dann wieder will ich ganz laut um Hilfe schreien. Aber da ist niemand. Nika kann ich doch damit auch nicht belasten und runterziehen.
Was wir brauchen gibt es nicht. Was es reichlich gibt ist Druck, Unverständnis und weitere Einschränkungen, an denen wir aber kaputtgehen, weil es das Leben klaut und man dann überhaupt keine Kraft mehr hat weiterzumachen. Und allein kommen wir halt auch nicht klar. Es gibt Ideen, es gibt Versuche, es gibt dies, es gibt das… aber es klappt nicht. Wie nannte Herr Ahlfeld es? Einigkeit? Alle an einem Strang ziehen? Eine Illusion, kann ich dazu nur sagen.
Bin hier echt total oft am Heulen. Auch weil Frau Sommer jetzt auch noch so einen Druck macht: wir müssen hierbleiben, sonst bricht sie den Kontakt ab.Es ist wirklich schlimm.„
Eine neue Chance?
Was alle positiv überraschte, war, dass in der nahegelegenen zweiten Institutsambulanz Kleiningens noch ein Therapieplatz frei war. Carlotta versuchte, sich daran festzuhalten wie an einen Strohhalm. Sie hoffte, damit vielleicht zumindest eine Chance auf eine Kehrtwende bekommen zu können.
Das zeitnahe Erstgespräch mit Herrn Schukow machte Hoffnung auf eine vielleicht gute zukünftige Zusammenarbeit. Es machte den Eindruck, dass er zumindest etwas Grundlagenwissen von DIS hatte, dass er mit hochtraumatisierten Menschen schon gearbeitet hatte, dass Carlotta die Empfindung hatte, dass seine Grundeinstellung stimmte und dass er Switches sicher bemerkte und adäquat damit umging. All das hinterließ ein gutes Anfangsgefühl bei Carlotta. Die Kommunikationsschwierigkeiten durch sein manchmal nicht ausreichendes Deutsch wollte sie vorerst nicht überbewerten.
So konnte und durfte sie die Therapie mit Herrn Pohl endlich beenden.
Carlotta und weitere Anteile, die auf der Pro-Ausstieg-Seite standen, versuchten in ihrer Zeit im Heim, die sie einigermaßen klar denken konnten, an Listen zu arbeiten, um Herrn Schukow möglichst komprimiert viel Wissen über sie zu vermitteln. Sie arbeiteten eine damalig aktuelle neue Persönlichkeitslandkarte aus, schrieben Anteilslisten mit jeweils kurzen Infos zu den bis dato bekannten Anteilen und erstellten Triggerlisten. All das versuchten Carlotta und weitere Anteile parallel zu den Reaktionen, die von innen darauf von anderen Anteilen, die das nicht wollten, folgten.
Als dann auch noch Feiertage anstanden, und zwar sowohl Feiertage in dem Kult und zusätzlich noch getoppt durch einen Geburtstag eines Familienmitgliedes, kam es zu einem Durchbruch dunkler Jugendlicher. Für Carlotta war es ein einfacher FILMRISS.
Nachdem nachmittags der Druck schon gestiegen war, zu den Tätern zu gehen (wobei Carlotta keinerlei Infos darüber hatte, wo das hätte sein sollen in dieser neuen Stadt… oder wer da in ihr irgendwas wusste), wurde Carlotta abends im Wäldchen hinter dem Heim gefunden.
Nackt, Steine, Kerzen, mit bestimmter Symbolik bemalter Tonkarton, Arme aufgeschnitten in Pentagrammform, alles voller Blut – selbst das Gesicht voller Blut.
Carlotta oder irgendwen aus dem Alltagsteam nach vorn zu bekommen, gestaltete sich extrem schwierig. Anscheinend waren wirklich viele Personen auf der inneren Flucht vor dieser Situation.
Zu dieser Zeit war Carlotta noch nicht klar, warum dies geschehen war.
Erst viel später stellte sich heraus, dass dies sowas wie eine versuchte Rettungsaktion von zwei jugendlichen Dunklen, Jarno und Nell, war. Ihr Plan war: Weil sie nicht zum Feiertagstreffen der Täter gehen konnten, wollten sie zumindest Satan durch eine „Privat-Zeremonie“ besänftigen.
Auch das Team des Heims war geschockt.
Carlotta wurde von einer Betreuerin ins Krankenhaus zum Nähen begleitet und schlief in der Nacht im Zimmer der Nachtbereitschaft.
Infolge dieser Situation begannen die Heim-Betreuer auf eigene Faust nachzuforschen. Suchten das ganze Internet nach Informationen über Feiertage, Ausstieg etc. durch.
Zu einem blöden Zufall kam es, als Carlotta, weil sie Bedarf nehmen wollte, im Flur vor den Betreuungsbüros wartete und laute Stimmen aus dem Leitungsbüro hörte. Mehrere Betreuer hatten sich dort versammelt und Carlotta kam es vor, als feierten sie dort ihren vermeintlichen Wissensdurchbruch. Was Carlotta sicher wusste, war, dass sie einen satanischen Feiertagskalender gefunden hatten und einige jubelten.
Und das Ganze blieb nicht ohne Folgen.
„Geht ja mal gar nicht wie die sich freuen und jubeln, da irgendwas gefunden zu haben. Erstmal frag ich mich: Hä? Warum wissen die sowas nicht schon längst, wenn sie doch behaupten, Ausstiegsbegleiter zu sein??? Ich frage mich bereits seit Längerem, was die sich dabei gedacht haben, sich bei unserem ersten Besichtigungstermin hier so toll, kompetent und erfahren darzustellen, dass ich dachte: das wäre optimal!?
Und dann geht es gar nicht zu hören, wie die darüber reden, wie toll das ist, diesen blöden Feiertagskalender gefunden zu haben – wohlgemerkt, wenn sie denken, das hört keiner und vor allem nicht ich. Tja Leute, da hättet ihr euch mal etwas zusammenreißen müssen und nicht rumschreien.
Innen ging es sofort ab! Schweigegebot, nichts wissen… das war kaum auszuhalten. Nachdem wir erstmal voll durchgedreht weggegangen sind und zwanzig Millionen Zigaretten geraucht haben, sind wir wieder hoch und haben das eine Büro gestürmt. Wir haben versucht zu erklären, was das Ganze mit uns macht – an unterschiedlichsten Stellen intern. Dass Wissen in unerfahrenen Händen oft Gefahr für uns bedeutet hat, dass wir da schlechte Erfahrungen haben. Dass, wenn die nun anfangen, uns an bestimmten Tagen halbherzig zu schützen, was aber nicht ausreicht, das Ergebnis der Täter nur noch schlimmer für uns ausfallen wird. Panik. Wut. Dass wir einfach wegwollen.
Als Kerstin uns dann noch mitteilte, dass sie beschlossen hätten, dass wir nicht mit auf Ferienfreizeit dürfen, weil da ein Feiertag in dem Kalender zu finden war, war es dann komplett zu spät.
Anstatt mal zu fragen, glauben die irgendwas aus dem Netz mehr und denken jetzt, sie hätten die Erleuchtung oder was? Und mal ehrlich… es regt mich nur noch auf, weil jeder kann auf ner Ferienfreizeit jederzeit abdrehen (Beispiele gibt es hier genug dazu!) und nur weil die da irgendwas Schlaues gefunden haben, meinen sie: du kommst vorsorglich nicht mit. Pöh!
Wir sind jetzt vorerst bei Sven und Julie, nach ein paar Tagen gehe ich noch Jannis besuchen. Ich brauch etwas Abstand, um das Ganze da zu verstehen und zu überlegen, wie das weitergeht.„
In diesen 3 Tagen bei Julie, Sven und hinterher bei Jannis versuchte Carlotta abzuschalten. Krampfhaft Normalität zu leben… aufzutanken, bevor es wieder zurückging. Kaja war parallel zu Carlotta wieder viel vorn. Sie benutzten Alkohol, Hungern, Sex um all das zu überstehen. Jeder schräge Blick von Julie und Jannis, die das natürlich nicht gut fanden, wie exzessiv Carlotta da drauf war, verletzte sie, doch sie konnte es nicht ändern.
Einzig Sven fand natürlich, dass das genau richtig so war. Klar, er hatte das was er wollte. Das Wichtigste für Sven war lediglich, dass es vor Julie unentdeckt blieb.
Klärungsversuch
Als Carlotta nach dieser Abwesenheit ins Heim zurückkam, bemerkte sie eine deutlich komische Stimmung ihr gegenüber. Sowohl von den Betreuern als auch von den Mitbewohnern. Sie versuchte herauszubekommen, ob sie eine schräge Wahrnehmung hatte, oder ob da etwas dran war und was dahintersteckte.
Was sie da erfuhr, erschreckte Carlotta, weil sie das so wirklich nicht mehr wusste. Sie bekam gespiegelt, dass ihr Abgang aus dem Heim deutlich krasser und lauter gewesen war, als ihr bewusst war. Viele Anteile hatten ihrer Wut Luft gemacht. Sie hatten mit Auszug gedroht, Vertrauensbruch angeprangert, Unzufriedenheit mit dem Helferteam geäußert, alles auf den Tisch gepackt. Es war wohl alles von wütend, aggressiv, heulend, hysterisch, laut aus ihnen herausgebrochen und dann waren sie gefahren.
„Oh Mist! Da haben wir ja wieder Stimmung gemacht. Die Betreuer haben es voll abgekriegt und die Mitbewohner haben das alles live mitbekommen. Die haben sich wohl auch voll Sorgen gemacht. Mist! Arme Nika. Nur wegen uns wieder… 🙁
Warum ist das bloß so kompliziert? Warum muss es immer und überall Ärger geben? Warum klappt das überall nicht? Liegt es an uns? Es geht mir wirklich nicht gut damit. Mal sehen wie es weitergeht!?
Wenn das alles, alles immer und überall schiefgeht, hab ich bald auch keinen Bock mehr.
Wir wissen mit den ganzen Problemen einfach nicht mehr weiter. Was ist los? Was ist zu tun? Welcher Schritt ist gut und welcher führt dagegen zurück? – bei all den guten Absichten dahinter !!!
Das Ganze macht so fertig: – Blöde Sven-Aktionen und die Unfähigkeit, Nein zu sagen, weil sich da Anteile mit beteiligen. Fragen: Warum tun wir das? Leben spüren? Risiko? Um uns „legal“ weh zu tun, zu hassen, um uns wertlos zu fühlen? – Innenkinder sind auch voll angetriggert, weil sie beim Sex nicht geschützt waren -Ärger mit den Helfern, Unsicherheit und Abstand von denen – Verschreckte Mitbewohner – Warum das häufige Weggehen, obwohl es eigentlich gar nicht geht? Warum der Alkohol? – Warum drehen wir auf kleine Trigger hin so stark ab? – Warum hungern wir? – Warum ist die Steuerung so gering gerade? Und warum ist das Alltagsteam so machtlos? – Warum ist Sicherheit/Veränderung/Hilfe so gefährlich? Klingt so aussichtslos! Gut-> Böse, Böse-> Gut – Was kommt da noch alles? Ist das zu schaffen? – Warum kann der Ausstieg/Kontaktabbruch nicht eingehalten werden? SMS, Telefon. – Was ist zu tun? Sicherheit versuchen bedeutet auch Gefahr. Aber ohne Sicherheit einfach alles zulassen? Misshandlungen einfach dulden? …. Es ist so hart!
Nichts und niemand scheint hilfreich zu sein. Außer vielleicht Frau Sommer, aber die ist weit weg! Und wir allein kommen da auch nicht gegenan. Es ist ein Strudel. Und in all dem hab ich selten klare Momente. Ich… und nicht nur ich, sondern viele von uns, stehen so hilflos davor…
Und trotzdem dürfen wir nicht aufgeben, sondern müssen kämpfen.
Aber wo zuerst und wie?„
Carlotta versuchte in den folgenden Tagen, all das mit ihrer Bezugsbetreuerin Kerstin nachzubesprechen. Doch irgendwie fanden sie keine Basis mehr.
Die Mitbewohnerinnen, mit denen sich schon eine kleine Freundschaft neben Nika entwickelt hatte und mit denen sie ab und zu gern rauchte, quatschte, hielten nun Abstand. Sie hatte sie wohl alle sehr eindringlich erschreckt.
Auch mit Jannis gab es wieder vermehrt Stress. Nachdem Carlotta sich ihm anvertraut hatte, wie verzweifelt sie gerade war, rastete er wieder aus und drohte damit, dass er die Polizei einschalten würde.
Carlottas Zustand verschlechterte sich immer weiter. Sie wollte keinen Menschen Sorgen machen, sie verschrecken, sie zum Ausrasten oder Schweigen bringen… doch sie wusste nicht, wo sonst hin mit sich, ihren Gedanken, Gefühlen und ihrer Situation.
Der Druck abzuhauen wurde immer größer und größer und parallel fühlte sie sich immer machtloser, ferngesteuerter und in allem alleingelassen. Sie verkroch sich immer mehr und kam sich vor wie eine Aussätzige.
Trotzdem fuhr sie mit Jannis am folgenden Wochenende zu ihm. Sie verbrachten den Freitag und Samstag zusammen. Jannis kaufte bei einem Stadtbummel ein großes Kuscheltier für die Kleinen, besonders für Lina, ein kleines Mädchen, das sehr unter dieser Situation litt und dies auch zum Ausdruck brachte, weil sie zu den vertrauensvollen Kindern gehörte, die schnell Bindungen aufbauten. Er versuchte, sie und alle anderen damit zu trösten und zu umsorgen. Sie, Carlotta und Jannis, besuchten auch weitere Freunde in der alten Umgebung und versuchten, Kraft zu tanken.
Es war von Anfang an klar, dass Besuche in der alten Umgebung eine gewisse Gefahr bedeuteten. Doch Carlotta wollte sie eingehen, weil sie dachte, Jannis wäre ja jederzeit in der Nähe und ihr Bedürfnis nach „Leben“ und Kontakte zu alten Freunden war einfach zu groß, weil sie all das in der neuen Umgebung schmerzlich vermisste.
FILMRISS
Carlotta war bei ihren Eltern gewesen und hatte am Sonntag um 17 Uhr Jannis um Hilfe gebeten, sie abzuholen. Er war völlig aufgelöst, aber im ersten Moment einfach nur froh, Carlotta wieder bei sich zu haben. Sie war einfach aus seiner Wohnung verschwunden und nicht auffindbar gewesen.
Er brachte sie sofort wieder ins Heim zurück und besprach die Vorkommnisse mit Kerstin. Carlotta war zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich fähig, irgendetwas zu klären oder zu verstehen. Sie verkroch sich nur weiter und weiter und redete nicht mehr. Hielt ihre Schmerzen, Flashbacks, Träume, Panikattacken allein aus und switchte wild umher, so dass einige Tage vergingen. Erst einige Selbstverletzungen später, die von Carlottas Innens zum Druckausgleich eingesetzt wurden, tauchte Carlotta so langsam wieder auf.
Sie war ein einziger dicker, schwerer Klumpen Angst. Sie wusste, dass das alles ganz schlecht verlaufen war. Sie wusste, dass sie da auch einen Anteil Schuld daran hatte – nämlich so risikobereit zu sein, nur um den „Luxus“ von Freundschaft, Auftanken und „Leben“ zu haben. Sie befürchtete Konsequenzen.
In einem Gespräch mit Kerstin konnte diese Carlotta aber beruhigen: Jetzt erstmal würde es keine Konsequenzen/Bestrafungen/Rauswurf geben, man müsse gucken, wie das jetzt weiterginge.
Carlotta setzte wirklich alle ihre Kräfte ein und bat ihre wenigen kooperativen Innenpersonen, es ihr gleichzutun, um durch diese Krise durchzukommen, doch immer wieder stürzten sie ab. Als an einem Tag sich Flashback an Flashback reihte, nur noch traumatisierte, nicht orientierte Innens vorne waren, eine Luftnot nach der nächsten niedergerungen werden musste und dann auch noch Mara auftauchte, die sich erwürgen oder erhängen wollte, gab die Betreuerin Isa, die stundenlang versucht hatte zu beruhigen und zu reorientieren, auf.
Carlotta wurde mit einem Krankentransport in die Psychiatrie gefahren. Während der Fahrt fixierten die Sanitäter Carlottas Hände an der Trage und auch die erste Zeit in der Psychiatrie wurde die Fixierung beibehalten und durch hochdosierte Medikation verstärkt.
Was diese Behandlung alles an Triggerreaktionen in Carlotta und Co zuerst verstärkt hatte, entwickelte bald die gegenteilige Wirkung, dass nämlich die Anteile von Carlotta alles dafür taten, um Kontrolle zu demonstrieren, um Lockerungen zu bekommen.
Heute ist klar, dass während der Fixierungszeit mehrere neue Anteile abgespalten wurden, um das still auszuhalten. Für Carlotta & Co war diese vermeintliche Hilfe in dieser gewaltvollen Art direkt in der Phase, als noch alles durcheinander nach einem Täterkontakt war, einfach zu viel. Sie mussten ihre lang erlernten Fähigkeiten nutzen, um sich anzupassen und die Gewalt auszuhalten. Sie spalteten ab.
Das hatte dann den eigentlich bitteren Erfolg, dass Carlotta nur einige Tage auf dieser Station weiter verbleiben musste. Sie kämpften diese ganze Zeit einen unsichtbaren Kampf darum, stabiler zu wirken, nur um dann aus dieser gewaltvollen „Hilfs-“situation entlassen zu werden.
Als Carlotta wieder im Heim ankam, waren viele Mitbewohner mit einigen Betreuern auf Freizeit gefahren.
Das war noch mal ein Schlag ins Gesicht. Denn wie gern wäre sie mitgefahren, wäre da nicht ihr Zustand…
Das Heim war nun noch ruhiger und unterbesetzter als sonst. Sie fand keine wirklichen Ansprechpartner. Auch nicht, als sie bemerkte, dass sich wieder etwas in ihr zusammenbraute.
Sie wusste nicht, was es war, aber sie hatte eine böse Vorahnung, dass es ungut werden würde. Den Vorschlag einer Betreuerin, wieder zurück in die Psychiatrie zu gehen, schlug sie aus. Sie hatte erstmal genug von dieser Behandlung dort,… dieser „Hilfe“. Doch vielleicht hätte sie es dennoch tun sollen!?
Sie vereinbarte stärkere Kontrollen mit der Betreuerin und der Nachtbereitschaft. Um 0:00 Uhr, 3:00 Uhr und 6:00 Uhr sollte Carlotta kontrolliert werden.
„Bis um 0:00 Uhr weiß ich noch genau was war… und dann große Lücke bis halb vier, als ich dann völlig fertig und mit Schmerzen draußen vor dem Heim in der Kaffeeecke saß. Mit der einen Betreuerin und im Haus waren die Nachtbereitschaft und die Polizei. Die Polizisten hatten mich (?) wohl etwas außerhalb von Kleiningen (total verdreckt, fertig, wegdissoziiert und zitternd) aufgefunden, nachdem die Nachtbereitschaft sie gerufen hatte. Es heißt, die Nachtbereitschaft hätte vorher einen Anruf von einem Passanten bekommen, der mitteilte, dass wir dort waren – unansprechbar. Er hätte da einen Zettel gefunden… wahrscheinlich unseren Notfallzettel, den wir immer dabei haben, wo wichtiges Zeugs/Ansprechpartner/Telefonnummern und so draufstehen, wenn was ist und wir uns nicht äußern können. Was aber wohl komisch war… der Passant wollte nicht warten, bis die Polizei kam, er müsse zur Arbeit, sagte er am Telefon.
Naja, und dann soll wohl die Polizei uns da gefunden haben und erst wollte wohl keiner von uns da einsteigen. Wir sollen wohl nur komisches Zeug geredet haben – immer in Schleifen. Und dann aber wohl doch irgendwie eingestiegen sein….
Ja, so war das wohl. Und ich wusste da irgendwie gar nichts.
Es kam erst so Stück für Stück, das ich mir das so circa zusammenbasteln kann, aber auch nichts sicher weiß. Und das, was ich da zusammengereimt hab, ist übel, dass ich das kaum denken oder schreiben will. Und ich will mir erst recht nicht vorstellen, wie es grad den Leuten in uns geht, die das mitgekriegt haben.
Grob gesagt: Es war Täterkontakt mit der neuen Gruppe hier und das war alles nicht so gut. Also ziemlich brutal und irgendwie wohl auch Bestrafung. Mag nicht dran denken und darüber nachdenken schon gar nicht.Ja 🙁 und wie ging es dann weiter? Wir haben erstmal nichts gesagt. Schon gar nicht, als die Polizei noch da war. Also… wir dachten schon, dass die sich das zusammenreimen konnten. Aber wir wollten nichts noch provozieren. Also… nach der Geschichte ist noch mal mehr klar, dass, wenn wir uns halbherzig, aber doch nicht genug schützen, es nur schlimmer wird. Und da war sowieso schon viel zu viel sichtbar und wir wussten ja gar nicht, wie die Betreuer und ach alle halt… alle anderen… reagieren. Aber wir haben dann so dolle Verletzungen gehabt, dass wir das den Betreuern sagen mussten. Weil wir schon auch Angst hatten, dass da was behandelt werden müsste.
Ja, und dann… was soll ich sagen. Sie meinten, sie wüssten nicht so recht von wegen unterlassener Hilfeleistung und Meldepflicht und so… und deswegen sollten wir bitte in die Psychiatrie gehen. Auch ganz sicher nur für 2 Tage… in uns ist einfach nur noch mehr zusammengebrochen. Aber sie meinten, wir müssten das doch verstehen, weil sie das ja nur zu unserem Besten tun… Es ist traurig. Aber ich hab grad kein Gefühl… ist vielleicht auch besser so.„
Und so wurde Carlotta noch am selben Katastrophen-Morgen im September 2005 in die Psychiatrie gefahren. Carlotta fühlte sich abgeschoben, doch es wurde erwartet, dass sie es verstehen sollte. Levi, der Betreuer, der immer schon recht nett auf sie gewirkt hatte, war dann so fürsorglich, zumindest noch einen kleinen Halt am Meer zu machen, bevor er sie in der Geschlossenen ablieferte.
Bis heute ist nicht geklärt, ob die Betreuer das gewünscht hatten oder ob das eine Entscheidung der Klinik war,… aber als Carlotta auf Station angekommen war, wurde sie sofort ins Dienstzimmer gerufen und ihr wurde mitgeteilt, dass sie sofort mit 2 Pflegern ins Krankenhaus fahren würde, um die Verletzungen untersuchen und dokumentieren zu lassen. Sie hatte gar nicht richtig Zeit zu reagieren und schon saß sie in der Chirurgie-Abteilung. Sie musste sich ausziehen, wurde angeguckt, abgetastet, geröntgt,… fotografiert, versorgt, genäht. Oft switchte sie hin und her, brach zusammen, konnte sich nicht bewegen, nicht sprechen, zitterte, wollte fliehen oder wurde immer wieder mit Ammoniak mit Druck zurückgeholt, woraufhin oft ein Anteil reagierte und schrie „Gift, Gift!“
Dann folgte die Gynäkologie. Gynäkologische Untersuchung, Fotodokumentation.
Endresultat war, dass unzählige Hämatome, Kratzer, Rippenprellung, Bindemale an Handgelenken und Fußgelenken, Schnittverletzungen und innere und äußere Verletzungen im Intimbereich festgehalten, beschrieben und dokumentiert wurden.
Einen kriminologische Sicherung der Abstriche verweigerte Carlotta, weil ihr das nach Stunden in dieser Situation alles viel zu viel war, sie wusste, dass sie schon geduscht hatte , wieder duschen wollte und sie einfach nur ein Ende herbeisehnte.
Nach fürchterlichen 2 ½ Stunden hatten es Carlotta und Co endlich geschafft. Sie waren in ganz, ganz ungutem Zustand.
Sie bekam noch die Pille danach, Schmerzmittel und Übelkeitstropfen.
Dann war sie allein. In der Psychiatrie, in dem Überwachungszimmer, ohne jeden Menschen, der sie mal in den Arm hätte nehmen können.
Zum zehntausendsten Mal geschehen. Seele geraubt und Schmerzen gebracht So ungerecht, taub und brutal die Welt. So tot, schmerzhaft und dreckig unsere Welt. So voll von blutigen, schmierigen Händen, die nach uns grabschen und ihrer kranken Gier Erleichterung verschaffen. So voll von gewalttätigen Händen, die fesseln, schlagen, verletzen, um uns weh zu tun. Das, was davon übrig bleibt, ist Angst, Schmerz und Hoffnungslosigkeit auf einen Wandel. Und doch schlägt das Herz weiter auf der Suche nach leichter gehbaren Wegen. |
Verrat
Schon in der ersten Visite bat Carlotta verzweifelt um Entlassung, weil ihr das vom Wohnheim versprochen worden war und weil das so abgesprochen war… 2 Tage hatte es geheißen. Sie wollte sich gern in ihr bekannter Umgebung mit bekannten Personen erholen. Doch der Stationsarzt wies diesen Wunsch entschieden zurück, er argumentierte, dass es Carlotta noch zu schlecht ginge und wenn sie auf Entlassung bestehen würde, würde er das mit einem richterlichen Beschluss zu verhindern wissen, sollte sie weiterhin auf Entlassung bestehen.
Carlotta versuchte daraufhin, im Heim anzurufen und zu klären, dass sie in der Psychiatrie anrufen sollten und dem Arzt mitteilen sollten, wie das abgesprochen war. Der Betreuer Levi, den Carlotta erreichte, sagte allerdings nur, da könne er nun auch nichts machen. Es täte ihm leid, aber Entscheidung wäre Entscheidung.
So bat Carlotta den Betreuer Levi, zumindest Jannis zu informieren, weil ein Besuch im Heim geplant gewesen war. Er sollte ihm bitte ausrichten, dass sie in der Psychiatrie wäre und gern einen Anruf hätte.
Schon am Nachmittag gab es einen Anruf für Carlotta. Doch es war nicht Jannis. Es war Kerstin. Zuerst dachte Carlotta noch voller Hoffnung, dass sie vielleicht doch erreicht hätte, dass sie zurückdürfte. Doch es kam ganz anders. Kerstin erklärte ihr, dass sie vom Team eine Strafanzeige haben machen müssen und dass sie bereits ihre ganzen Gesprächs- und Gedächtnisprotokolle an die Polizei weitergereicht hätten.
Diese Information hinterließ direkte Wirkung auf Carlottas System.
Luka, Jo und Quinn schnellten nach vorn und einer versuchte, sich den Kopf an der Wand einzuhauen, ein anderer stammelte „Alle tot machen“, der dritte schrie „Polizei, Polizei …“
Die Reaktion des Pflegeteams erfolgte direkt und brutal. Mit 5 Pflegekräften wurde Carlotta noch am Telefon im Flur niedergerungen, durch den Flur ins Zimmer geschleppt, fixiert und bekam eine Zwangsmedikation. Für 12 Stunden.
Erst am nächsten Tag wurde Carlotta wieder befreit. Sie war noch ziemlich benebelt von den ganzen Medikamenten und taub von all den Dingen, die um sie herum passierten, ohne dass sie irgendeinen Einfluss darauf hatte. In ihrem Inneren tobte der Krieg als unterschiedlichste Reaktionen auf die Botschaft der Anzeige.
Unzählige Anteile befanden sich in einem dauerpanischen Zustand, völlig von der Realität abgeschnitten… geflüchtet vor der erlebten Gewalt und der darauffolgenden gewaltvollen „Hilfe“.
Kurze Zeit später erhielt sie noch einen Anruf. Diesmal war es wirklich Jannis. Er war aufrichtig besorgt und bot Carlotta an, sich auszusprechen, einmal alles rauszulassen. Das tat sie dann auch. Sie redete, erklärte, weinte, bis sie völlig erschöpft war. Es tat ihr gut, dass es da jemanden gab, der scheinbar verstand.
2 Stunden später erhielt Carlotta einen zweiten Anruf von Jannis. Er erzählte ihr, dass er beschlossen hätte, dass es nun mal langsam gut wäre und er all das, was Carlotta ihm anvertraut hatte und was er von vorher wusste, der Polizei mitgeteilt hätte. Er hätte eine Strafanzeige gegen Carlottas Eltern gemacht, denn die würden ja dahinterstecken. Carlotta und einige Anteile beschimpften ihn und beendeten das Gespräch durch Aufschmeißen des Telefonhörers.
Carlotta wusste nicht, wohin mit all dem, was das mit ihr und in ihr machte. Sie konnte da aus der Psychiatrie nichts tun. Denn es waren ja dort die Sicherheitsregelungen Pflicht: kein Handy, kein Telefonieren (außer geprüfte Anrufe), keine Post.
„Tolle Nummer! Echt… ich fühle mich schon völlig verflucht. Warum ziehen wir nur Scheiße an?
Was soll der ganze Mist? Die wissen gar nicht, was die damit anrichten können und schon angerichtet haben!
Aber nach nem Gespräch mit ner Schwester hier weiß ich ja: Ich soll mich nicht so aufregen! Denn solange ich keine Anzeige mache, passiert da nichts! Haha, die hat ja nen tollen Humor! Dann kann ich ja jetzt völlig gechillt sein. Wo ist mein Problem ?? … also wirklich! Die hat wohl noch nie was von Offizialdelikten gehört, oder??? Und von Täterschutz-Programmen wohl auch nicht…
Unser System dreht grad sowas von frei und ich soll mich nicht so aufregen. Toll gemacht! Bravo!Wenn die echt alle so weitermachen und wir das nicht mehr gehalten kriegen, dann werden wir so schnell hier nicht mehr rauskommen.
Und mit Jannis und den Betreuern werd ich kein Wort mehr reden… nicht, wenn ich nun weiß, dass das alles schön weitergetragen wird, was ich und wir denen im Vertrauen gesagt habe/n.
Mann… die wissen das doch! Die wissen doch, was sowas macht! Aber interessiert ja wieder keinen!Ich mein, die Sache ist wirklich so heftig und läuft mir voll aus den Fingern. Ich weiß einfach jetzt nicht, was auch bei den Tätern passiert, was von denen kommt, wenn die das rausbekommen und kontaktiert werden.
Eigentlich kann ich jetzt schon anfangen, unser Grab zu schaufeln.„
In der nächsten Visite erfragte Carlotta ihren Entlassungstermin. Der Stationsarzt teilte ihr mit, dass sie vorerst nicht entlassen werde und dass sie sogar einen richterlichen Beschluss bekäme, weil sie noch zu instabil wäre, weil sie den bräuchten für die Fixierung und weil es ein Telefonat zwischen dem Wohnheim und ihm gegeben hätte. Eine Betreuerin hätte ihm mitgeteilt, dass sie nicht für unsere Sicherheit garantieren könnten und dass es ihr auch lieber wäre, wenn wir in den nächsten Wochen dort bleiben würden.
„Tada… es ist zum Schreien. Jetzt haben wir auch noch nen Beschluss von 2 Wochen.
Ich könnte echt platzen. Was soll das alles? Was haben wir verbrochen? Wir werden von allen verraten und verarscht. Boah… so verlogen und scheinheilig! Die sind doch alle nur froh, uns los zu sein. Und anstatt mal mit uns vernünftig zu reden, gibt es dann sowas….
Und jetzt pöbele ich hier rum. Aber eigentlich müsste ich heulen, betteln, dass doch bitte irgendwer mal gut mit uns ist… uns nicht abstraft.
Irgendwer, der sich mal all das anhört… der einfach nur da ist. Der mal sagt: ja, das ist wirklich alles schlimm und fühlt sich bestimmt schlimm an. Wie geht es dir denn… hmm? Willst du einen Kakao oder Tee? Was denkt ihr denn darüber?
Aber nein… alle draußen sind der Meinung wir sollen lieber hier sein als bei denen… nur wissen die auch nicht, wie das hier ist. Switches verstehen die Pflegekräfte hier bis heute nicht und gehen nur brutal vor… Es wird eigentlich nur noch schlimmer. Weil alles, was ich hier besprechen könnte, wenn das überhaupt wer anhören wollte, nicht verstanden werden würde und obendrauf ein Grund wäre, uns hier festzuhalten.
Und der Arzt hat mir heut gesagt, dass er unsere Medis umstellt. Ich hab mich informiert: das sind Neuroleptika und die Einstellung, die der anstrebt, ist eigentlich was für Schizophrenie oder Akutpsychose.
Danke! Danke! Danke vielmals! Ihr seid zu gütig!„
Schutzlose Hülle Festgehalten in sicheren Verließen. Keine Regung und Aktion möglich, schutzlose Hülle. Fortgegangen, weggeworfen, zertreten und missbraucht. Und jetzt wieder: Zerquetscht von zu starken, helfen wollenden Händen. Selbst Schuld durch zu laute Münder. Verraten von zu schmerzenden Herzen. Schutzlose Hülle zerfällt immer mehr. |
Carlotta & Co waren mehr als geschockt von den ganzen sich überschlagenden harten Schlägen und was das alles für sie zu bedeuten hatte. Es war sehr, sehr viel, was sie zu tragen hatten. Da waren die körperlichen und psychischen Nachwirkungen des Übergriffs, der Verrat durch Helfer und Jannis, die Umgebung, in die sie abgeschoben wurde, die Panik ihrer Zukunft gegenüber, Schuldgefühle und unzählige Fragen, was sie wie hätte anders machen müssen.
In all dem fühlte sich Carlotta allein gelassen, ausgesetzt… und zum Schweigen verdammt. Auch die neue Medikation tat ihr Übriges dazu – die Neuroleptika schnitten Carlotta noch mehr von der Welt ab. Sie fühlte sich wie ein toter, tauber Roboter und ihr Inneres fühlte sich abgeschnitten, aber kein bisschen ruhiger oder beruhigter an.
Carlotta versuchte, sich an der irrationalen Hoffnung festzuhalten, dass Jannis vielleicht nur geblufft hatte. Dass zumindest ihr alter Täterkreis nicht Rache üben würde. Andere Anteile versuchten auf ihre Weise, die Situation auszuhalten. Es wurde wieder vermehrt gekotzt, gehungert, selbstverletzt (aber nicht gezeigt), gedroht, ignoriert und taub gemacht, … neben denen, die einfach nur zitternd, schaukelnd oder völlig bewegungslos stammelnd, schluchzend oder stumm in ihrer Traumawelt hingen. Innere Helferanteile waren kurz vorm Burnout. Und selbst Lina, das kleine, junge Mädchen, versuchte über Rückzug, Malen und Kuscheltier-Kuscheln fürs Team hilfreich zu sein.
Alles in allem war diese Situation eine hochtraumatische, was zur Folge hatte, dass noch mehr Anteile abgespalten wurden, um dem gerecht zu werden und um das zu überleben. Ja, es ging um das Überleben. Und es ging darum, dem Klinikalltag gerecht zu werden, um sich vor weiterer Helfer-Gewalt und Unverständnis und behördlichen Alleingängen zu schützen.
Und so verbrachten Carlotta & Co die 2 Wochen in der Psychiatrie. Nach und nach wurde Carlotta wieder mehr zugetraut.
Und so schön es auf eine Art auch war, dass sie mit den Mitpatienten in den umzäunten Garten durften… so eklig, abstoßend und verhöhnend fanden dies Carlottas Beschützeranteile. Sie hätten dem Pfleger, der das ganz fröhlich ermunternd erlaubte, am liebsten vor die Füße gespuckt, doch sie rissen sich zusammen, weil es ja galt, sich anzupassen.
Und so konnten Carlotta und Co schließlich geplant entlassen werden.
Unsicheres „zu Hause“
Die ersten Tage war Carlotta einfach nur froh, wieder zu Hause zu sein – alles besser als die unsägliche Situation auf der Station in der Psychiatrie.
Sie versuchte, trotz allem für sie unguten Hilfsaktionen wieder Hoffnungen zu haben, dass sie mit den Betreuern doch arbeiten könnte. Sie freute sich darauf, dass sie gehört hatte, dass sie aus ihrem Notzimmer in ein größeres Zimmer ziehen könnte, weil es durch einen Auszug frei geworden war. Sie hoffte auf die endlich startende Therapie mit Herrn Schukow. Sie freute sich sogar auf einige Mitbewohnerinnen und Nika natürlich. Auch wenn sie Angst vor den Gesprächen und Fragen hatte.
Und dann war da ja noch Jannis. Sie versuchte, ihn zu verstehen, warum er die Anzeige gemacht hatte. Sie verstand seine Sorgen. Sie wollte noch einmal mit ihm reden und ihm erklären, warum die Anzeige für sie keine logische oder passende Lösung für seine Sorgen war.
Er kam sogar am ersten Wochenende nach der Entlassung zu ihr zu Besuch. Mit Carlotta konnte er auch gut reden, sie versuchte alles, um eine Eskalation zu vermeiden – sie hatte genug von Dingen, die eskalierten.
Sie bekam auch sein Verständnis und sogar noch mehr darüber hinaus. Jannis fing plötzlich fürchterlich an zu weinen. Er brachte sein Innerstes nach außen: all seine Hilflosigkeit, all seine Sorge, all seinen Schmerz, das mit angucken zu müssen. Er erklärte, dass er ihr niemals weh tun wollte, sondern all dies getan hatte, um sie zu schützen. Er sagte, er wüsste ganz genau, was diese Anzeige für sie bedeute, nur dass er im direkten Schock über Carlottas Schilderungen am Telefon sich nicht anders zu helfen wusste. Er würde, wenn das möglich wäre, die Anzeige gegen die Eltern zurücknehmen, wenn er wüsste, dass Carlotta und ihr Team zumindest versuchen würden, gegen Täter in der neuen Stadt auszusagen und alles mitzuteilen, was sie wüssten.
In vollem Verständnis für Jannis Situation und mit sehr schlechtem Gewissen, ihn in so eine Lage gebracht zu haben, sagte sie, dass sie es versuchen wollte. Andere Anteile suchten daraufhin Streit mit Jannis, so dass es fast dazu kam, dass er wieder wegfuhr.
Im ersten Termin mit Kerstin waren die Sicherungsmaßnahmen Thema. Carlotta gab auch ihr Handy wieder ab und es gab weitere Vertragsinhalte: Carlotta durfte die Stadt auch zu Besuchen außerhalb nicht mehr verlassen, sie durfte nicht das Gelände verlassen und sie wurde aufgeklärt, wie das mit der Strafanzeige weitergehen würde und was da von ihr erwartet wurde. Carlotta sollte sich für ein polizeiliches Verhör vorbereiten und versuchen, innen so viele Infos über den Übergriff zu sammeln wie möglich.
Einen großen Dämpfer gab es noch, der Carlotta mitgeteilt wurde: Es hieß, sie würde das größere Zimmer im Heim vorerst nicht bekommen. Mit der Begründung, dass das Team sich nach dem Vorfall nicht so sicher wäre, wie das mit ihr weitergehen würde, d.h. wie die Ziele wären und die Zusammenarbeit. Ob nicht doch die Dunklen und Täter siegen würden und Carlotta plötzlich verschwinden würde. Deshalb würden die Betreuer nun noch etwas abwarten…
Carlotta war erschrocken und verletzt und äußerte gleich, wie sich das für sie anhören würde. Nämlich wie: Entweder es klappt so, wie wir das wollen, oder RAUS! Kerstin sagte darauf zwei knappe Sätze: Es würde ja nicht am Team liegen, sondern vielmehr an Carlotta. Sie hätten es ja selbst in der Hand.
„Es ist alles nicht zu fassen! Was wollen die denn noch?
Wir strengen uns doch schon so an!
Wir tun so viel gerade, was eigentlich gar nicht geht, kommen in den Krieg mit uns selbst und versuchen uns wirklich anzupassen… obwohl das alles schon einer ziemlichen Show gleicht. Denn nur wir kennen die wirklichen Schwierigkeiten und die Kämpfe, die das Verlangte alles in Gang bringt.
Wir trauen uns nicht mehr, ehrlich zu sein. Wir haben viel zu viel Schiss, dass nun das, was überhaupt noch an Hilfe übrig ist, auch noch verloren geht. Da denken wir: lieber das und alle auf Abstand halten, als ganz allein. Denn was heißt allein? Wer wäre dann noch da – außer den Tätern? Und nach dem Supergau mit der Anzeige wird das nicht lustig werden.
Und Kerstin ist für mich ein echtes Biest. Was die schon alles gebracht hat in den letzten Wochen! Aber… na logo… wer würde da anders denken als: Es liegt ja nur an mir/uns! Haha… es wäre echt lustig, wenn es nicht so verdammt traurig wäre.„
Die Befragungen
Allem zum Trotz ging alles seinen Weg.
Die Betreuer hatten einen Termin bei der Kripo und bereiteten das bald folgende Verhör Carlottas vor. Nicht Kerstin sondern eine andere Betreuerin erklärte bei diesem Termin einiges über DIS und was sich dadurch für Schwierigkeiten bei Carlotta in der Verhörsituation ergeben könnten. Sie berichtete auch, dass Carlottas Erinnerungen von dieser Nacht, soweit sie wisse, sehr gestückelt auf viele verschiedene Anteile aufgeteilt wären und dass es sehr gut sein könnte, dass da ganze Stücke und Zusammenhänge fehlen würden. Die Kripobeamtin schien dieses sogar zu verstanden zu haben und machte den Vorschlag, dass vorerst auch eine schriftliche Aussage reichen könnte. Sie arbeiteten zusammen einen Fragenkatalog aus, den Carlotta nach diesem Termin dann bekam.
„Heute geht es mir richtig übel! In der Nacht konnte ich kaum schlafen und musste mich ständig mit der Anzeige und den Gedanken dazu beschäftigen. Ich habe keinen passenden Begriff dazu. Es ist auf jeden Fall sehr extrem.
Diese Fragen, diese Details… es ist einfach nur schlimm. Und ein völliges Durcheinander mit Wissen und Nicht-Wissen und Machen-Müssen und Nicht-Dürfen, sonst… Zumindest haben wir´s versucht.
Daraufhin gab es gleich wieder Trouble mit Schneiden und Krankenhaus zum Nähen. Dort war die Ärztin dann auch wieder eine typische Chirurgenkuh. Die wollte ohne Betäubung nähen und auch nur ein paar Stiche machen, dass es gerade so ein bisschen hält, weil ja eh schon alles scheiße aussieht! Schlimm … aber ich hatte nicht so die Kraft für Konfrontation. Habs dann so hingenommen. Als ich das dann zum Verbandswechsel im Heim gezeigt hab, war Kerstin voll wütend. Was mich richtig gefreut hat, mal Rückendeckung zu bekommen, die hat da im Krankenhaus angerufen und hat der Chirurgin mal klargemacht, dass das so nicht geht. 🙂 Ausnahmsweise mal ne gute Aktion von Kerstin.„
Carlotta gab den Fragenkatalog mit ihren Antworten, trotz aller Widerstände, nach 5 Tagen Bearbeitungszeit ab.
Die Täterbeschreibungen (es betraf mehrere) konnten Carlotta & Co nur dürftig geben: Es war dunkel, während der Fahrt waren es nur 2 gewesen, bei dem Übergriff waren es weitere Täter dazu, die sich aber in zeremonieller Kleidung nicht wirklich erkennen ließen. Lediglich eine genauere Beschreibung konnten sie geben und schrieben dazu, dass sie diesen auf jeden Fall wiedererkennen könnten anhand der beschriebenen individuellen Merkmale.
Über die Umgebung konnten sie eine Beschreibung abgeben, die aber so wenig speziell war, dass es nicht zuzuordnen war, wo sich genau dieser „ruhig gelegene Rasenplatz mit…“ befand.
Das Auto konnte nur umschrieben werden mit „Kombi“ und „vielleicht ein Opel“. Das zweite dazugehörige Auto mit „ein alter VW Golf“. Farben wurden benannt. Kennzeichen nicht gesehen.
Wie es dazu gekommen war, wie sie kontaktiert wurden, abgeholt oder in der Nähe eingesammelt wurden!? Dazu gab es keine Angaben.
Ein Name war gehört worden, was allerdings ein „Deckname“ gewesen sein musste.
Die Fahrstrecke konnte nicht rekonstruiert werden. Es gab nur kurze Puzzleteile an wahrgenommener Umgebung während der Fahrt.
Die Tatbeschreibung war ähnlich lückenhaft und bestand aus vielen unterschiedlichen Erinnerungsstücken, die noch in keine Reihe gefügt worden waren.
Trotz der geringen Ausbeute war das alles viel zu viel und forderte internen Krieg. Carlotta versuchte, das so gut es ging zu ignorieren und nicht weiter daran zu denken, um überhaupt weitermachen zu können. Sie wusste, alle erwarteten jetzt von ihr und ihrem Team Mitarbeit und Kooperation.
Der Kontrolltermin bei ihrer Gynäkologin wegen der Verletzungen und vor allem, ob die Pille danach gewirkt hatte, brachte sie hinter sich und war froh, dass alles zumindest körperlich gut war.
Sie schrieb einen Brief an Herrn Ahlfeld und die Klinik in ihrer alten Umgebung, um wieder Kontakt aufzubauen und um zu erzählen, wie schlecht es in der neuen Umgebung lief. Sie hatte den Hintergedanken, vielleicht später doch noch einmal dort in die Klinik zu gehen. Da ihr die Klinik trotz all der Schwierigkeiten doch noch im Vergleich kompetenter und hilfreicher vorkam, als ihr Helferumfeld derzeit.
Frau Sommer bekam auch einen Brief. Allerdings fiel es Carlotta ihr gegenüber sehr schwer, von all den Katastrophen zu berichten. Sie wollte ihre letzte professionelle Verbindung aus ihrer alten Heimat nicht enttäuschen.
Sie konnte auch endlich weitere Sitzungen bei Herrn Schukow planen und wahrnehmen. Doch es war alles noch anstrengende Vorarbeit, die eher weiter destabilisierte als stabilisierte.
Carlotta konnte auch endlich ihre Neuroleptika in der überhöhten Dosierung, die ihr der Arzt in der Geschlossenen verpasst hatte, langsam absetzen.
Die gewohnte Medikation von Carlotta zu der Zeit waren: 0,5 -0,5-0,5 -0 mg Tavor , 0-0-0-80 mg Pipamperon, 40-0-0-0 mg Citalopram, 100-0-100-0 mg Topiramat als Festmedikation und bis zu 3 mal täglich 1-2,5 mg Tavor expidet Bedarf.
Was so viel heißt wie 4x täglich starke Beruhigungsmittel, bei Bedarf noch 3x zusätzlich und morgens Antidepressivum.
Es hatte sich im Laufe der Zeit sehr, sehr viel angesammelt.
Carlotta wusste zum damaligen Zeitpunkt nicht, was die Kripo schon alles erfragte und ermittelte. Das war wahrscheinlich auch gut so, denn die ganze Polizeigeschichte machte sie eigentlich nur mit, weil sie nicht noch mehr Konsequenzen von Helfern haben wollte und weil sie wirklich dachte, Jannis würde seine Anzeige gegen die Eltern zurücknehmen.
Die Betreuer des Heims hatten Zeugenvernehmungen, sogar der Heimverbundleiter gab ein Statement ab, Jannis hatte die Anzeige nicht zurückgenommen, ihr gesetzlicher Betreuer trug alle Infos diesbezüglich zusammen und stand in Kontakt mit der Kripo, eine Staatsanwältin war eingeschaltet worden, sogar Herr Ahlfeld wurde befragt sowie sämtliche Pfleger und Ärzte aus dem untersuchenden Krankenhaus und der Geschlossenen.
(Das wird aus der heute vorliegenden Verfahrensakte deutlich.)
Was Carlotta bei der Beurteilung der kompletten Ermittlungen zum Nachteil wurde, waren einige Aussagen: Dass Carlotta sich ja sehr häufig selber verletzen würde und man nicht sicher beurteilen könnte, ob es sich bei den festgestellten Verletzungen um selbstzugefügte Verletzungen handeln würde oder um Fremdeinwirkung. Andere dagegen sagten aus, dass sie sich nicht vorstellen könnten, dass diese festgestellten Verletzungen Selbstverletzungen wären, weil diese ganz anders aussehen würden.
Und immer wieder wurde auf eine psychische bzw. seelische Behinderung hingewiesen.
Herrn Ahlfelds Aussage war dagegen sehr klar. Er gab an, dass Carlottas Schilderungen glaubhaft waren und dass Carlotta und Co sehr wahrscheinlich gegenüber der Polizei keine Angaben machen würden, weil sie unter Druck gesetzt und berechtigte Todesangst haben würden.
Von all dem wusste Carlotta nichts und sie wurde darüber auch nicht informiert und so versuchte sie, scheuklappenmäßig ihren Alltag so gut es ging weiter zu bestreiten.