Wilde Reise Wir wurden nie gefragt, ob wir bereit wären, gleich zweimal so kämpfen zu müssen. Das erste Mal… Ein langer Weg… steinig, schwarz, mit klebrigen grapschenden Händen, Irrwegen, Schmerzen. Und doch nach langer, heftiger Zeit von Erfolg gekrönt. Fast schon: Zufriedenheit im Leben. Innerer Zusammenhalt und relativer Frieden. Aber ganz sicher: Liebe Familie Zu Hause Sicherheit und Freiheit… nicht entweder – oder. Und nun… Wieder nicht gefragt. Aber wir fragen uns: WARUM??? Wir haben zu kämpfen gegen einen unfairen Gegner. Uns wurde prophezeit: Er wird gewinnen. Und doch werden wir weitergehen, wir sind kampferprobt. Vielleicht wird uns das zu Nutze sein!? …für ein bisschen mehr Zeit, für ein bisschen noch Schön… für Zeit mit lieben und geliebten Menschen (Tier)… für Sonnenscheinmomente Und dann werden wir gehen. Von dieser Welt. Es war kurz, es war hart… Aber: Es hat sich gelohnt. Kämpfen lohnt immer! Hoffnung als Wegweiser und Mut als Antrieb… etwas Wagen…allem zu Trotz. Denn das bisschen Gut was es zu erreichen gibt LOHNT! In Liebe und großer Dankbarkeit für das bisschen Gut. Zeitmemory |
Vorbereitungen
Die Organisation und all das, was es am Drumrum für den geplanten Krebsklinikaufenthalt, der über 1000 km entfernt von ihrem Wohnort stattfinden sollte, erforderte, verlangten einiges von Carlotta & Co. Generell musste Carlotta sehr viel auf sich nehmen.
Und so wurde ein eigenes Privatabteil in einem Nachtzug gebucht. Die Entscheidung auf diese Reisevariante fiel darauf, da dort das geringste Corona-Infektionsrisiko bestand. Die Finanzierung wurde geklärt, für Torge wurde ein Zimmer gebucht, für Henry wurde eine Unterbringung organisiert.
Und auch für die Aufnahme in der Klinik musste noch ein Coronatest kurz vor der Abfahrt und eine Computertomografie organisiert und durchgeführt werden.
Carlotta war weiterhin nur am Machen und Tun… immer im Zeitstress und Kontrollzwang.
Parallel arbeiteten sie aber auch mit Herrn Willenbrink an der Besprechung ihrer Anteilsliste weiter, und es meldeten sich in mancher Sitzung neue Anteile, die auch gesehen und in die Liste aufgenommen werden wollten.
Und auch schöne Dinge machten Carlotta & Co während dieser so vollen Zeit.
Mit Nika zum Beispiel erlebte sie einen tollen Nachmittag erneut auf dem Pferdehof. Sie beide ritten wieder am Meer entlang und im Meer und es entstanden wunderschöne Bilder, die das alles als tolle Erinnerungen später festhalten sollten.
Mit Insa, Frido, Amy und Falkon wurde sich zum Grillen getroffen, und auch mit weiteren Freunden gab es immer wieder tolle Momente.
Nur immer und immer wieder stellten das Corona-Virus und die drohende Infektion als Hochrisikopatientin für Carlotta & Co so einen erzwungenen Abstand zu lieben Menschen dar, dass es fast weh tat. Gerade in solchen Zeiten hätten Carlotta & Co sich manches Mal Umarmungen gewünscht.
Zu einem emotionalen Höhepunkt kam es Ende Juli 2020, als nämlich Bea, eine ehemalige Wohnbetreuerin und mittlerweile sowas wie eine mütterliche Freundin für Carlotta & Co, einen gofundme-Spendenaufruf für Carlottas letzte Wünsche machte.
Es war kaum auszuhalten für Carlotta & Co, so viel zu bekommen, solch eine Erfahrung mit Menschen zu machen, die vorher eher größtenteils schlecht zu ihnen gewesen waren. Carlotta konnte fast nicht fassen, was dort innerhalb weniger Tage passierte und war außer sich und weinte sehr viel.
In ihrem Tagebuch ist dazu Folgendes zu lesen:
„Bea hat den Vogel abgeschossen. Sie hat so ne gofundme-Spendenaktion für uns gemacht. Und es ist soooo der Wahnsinn. Sie hatte nen Text gepostet zu unserer Bucket-List (letzte Wünscheliste) ->
1. Wir möchten Torge nochmal neu ein Eheversprechen geben und ein paar Leute dazu einladen.
2. Wir möchten gern eine Nacht in einem Liegestrandkorb am Meer übernachten unter freiem Sternenhimmel.
3. Wir möchten mit der Ostsee-Fähre noch mal nach Göteborg.
Als Wunschziel hat sie 3000€ angegeben… und wow… innerhalb von 24 Stunden war das erreicht. Krass!
Ich hab sooo geheult, kam gar nicht mehr klar. Emotional sooo durchgeschüttelt. Auch für die Innens… wow… was für Tage!
Um da keine Zeit zu verlieren jetzt vor der Krebsklinik und weil ich ja auch immer so nen Zeitdruck spür und weil Übernachtung am Meer und Strandhochzeit halt möglichst noch zu ner annehmbaren Jahreszeit stattfinden soll, hab ich dann gleich losgeplant. Oh Mann… manchmal denk ich echt: Was ich jetzt grad alles in kurzer Zeit schaff, hab ich manchmal in nem ganzen Jahr nicht geschafft. Naja, auf jeden Fall hab ich jetzt schon festgelegt, wo das Eheneuversprechen stattfinden soll: nämlich wieder auf unserem Tierhof. Wir werden rund um den Termin dann dort Urlaub machen… und die Zeremonie soll dann dort am Strand stattfinden und die Feierlichkeit dann im „Garten“ des Ferienhauses. Dort ist jetzt schon auch reserviert.
Ringe sind bestellt, für Henry hab ich ein süßes Halsband mit Hemdskragen und Fliege gefunden und bestellt – voll süß!
Wo wir Getränke bestellen und Buffet, weiß ich auch schon.
Und die Strandkorbübernachtung ist auch schon reserviert!
Es geht voran, und obwohl sich das alles noch voll unwirklich anfühlt, so spüren wir doch auch noch sowas wie Vorfreude und eine echt meeega große Dankbarkeit, dass uns Menschen das ermöglichen. Bald muss ich dann auch die Einladungskarten gestalten, damit die Gäste möglichst nicht so extrem kurzfristig davon erfahren.
Was auch noch voll klasse ist: Eine Frau hat sich bei Bea gemeldet, die anstatt Geld ihre Arbeitsleistung als Dekorateurin spenden will. Sie würde dann den Strand und unsere Feierlocation dekorieren. Wow!!! Alles so überwältigend. Unglaublich!!„
Krebsklinik
Nach erfolgtem CT, bei dem das Ergebnis sehr positiv ausfiel und feststand, dass die palliative Chemotherapie anschlug, und negativem Coronatest ging es dann Anfang August auf die große Reise ans andere Ende von Deutschland in die Krebsklinik. Carlottas kleine Innens fanden die Reise mit dem Nachtzug echt spannend. Es war fast wie eine Abenteuertour für sie.
Dort während der drei Wochen Aufenthalt wurden Carlotta & Cos Wünsche und Erwartungen auch nicht enttäuscht. Von Anfang an genoss sie den besonderen Umgang der Mitarbeiter und Ärzte. Alles war so erstaunlich individuell, menschlich, zugewandt. Es wurde sich immer sehr viel Zeit genommen und sie bekam das Gefühl, wirklich ernst und wichtig genommen zu werden und dass wirklich von Interesse war, dass es ihnen so gut wie möglich ging.
Und so vergingen die drei Wochen sehr positiv mit all den gut-tuenden Therapien, Medikamenten-umstellung und vor allem den tollen Ausflügen, die sie mit Torge unternahm.
Zuvor war gar nicht dran zu denken, dass sie so fit, energiegeladen und leistungsfähig werden könnte. Aber doch war es so. Jede freie Zeit wurde genutzt, um Berggipfel zu erklimmen, Wasserfälle zu besuchen, in ihrem Lieblings-Bergbach spazieren zu gehen, in die nächste Stadt zu laufen,… Und ab und zu auch mal im Klinikgarten in der Sonne zu chillen. Es ging ihr und Torge so gut wie lange nicht.
In der zweiten Woche kam sogar Laura für ein Wochenende zu Besuch, was wieder richtig toll war.
Was oft die Stimmung trübte, war, dass wenn alle aßen und tranken, was oft in Gaststätten, Cafés unterwegs geschah, Carlotta & Co nie auch etwas mitessen konnte. Oft saß sie dann daneben und konnte höchstens an ihrem laktosefreien Cappuchino oder Tee nippen. Und selbst das musste sehr langsam und vorsichtig geschehen, damit sie nicht unterwegs Durchfall bekam.
In der Klinik hatte sie Atropin gegen die Bauchkrämpfe und Durchfall kennengelernt, was ihr sehr half und so all die Ausflüge erst möglich machte.
Allerdings hatten diese Ausflüge und das „Fit-Spritzen“ dann abends auch oft die Nachwirkung, dass es dann in geballter Form mit Durchfall, Darmkrämpfen und Schmerzen losging. Doch das konnte Carlotta gut tolerieren und aushalten angesichts all des Positiven.
Was auch noch ungünstig war, waren die Einschränkungen durch Corona. In der Klinik musste bei Menschenkontakt und Wegen immer eine Maske getragen werden, Besucher durften nicht in die Klinik, Therapien fielen aus bzw. wurden anders durchgeführt.
Dennoch empfand Carlotta die Behandlung dort als sehr wohltuend und positiv. Sie hatte auch Hoffnungen in die hyperthermischen Bestrahlungen der Metastasen.
In der letzten Zeit des Aufenthalts erfuhren Carlotta und Torge, dass Rike und ihr Freund zufällig auch dort gerade mal eine Fahrstunde entfernt im Urlaub waren. Und so verabredeten sie sich, sich zu treffen und einen Ausflug zu machen.
Man bedenke, dass Carlotta & Co Rike wirklich viele Jahre vorher nicht gesehen hatte. Aber es war wirklich wieder sofort sehr vertraut und alle verstanden sich so gut, dass es dann sogar noch wenige Tage später noch einen zweiten Ausflug gab. An zwei Seen. Der erste beeindruckend schön und türkisblau und der zweite so schön zum Baden, dass sie schwimmen gingen, was ein großer Wunsch von Carlotta war.
Nach drei Wochen war dann allerdings dort Schluss und es sollte wieder nach Hause gehen.
In der Nacht vorher wurde Torge allerdings krank mit Durchfällen und Erbrechen und Carlottas Blutwerte, insbesondere der Wert der weißen Blutkörperchen, waren durch die Chemotherapie so gefallen, dass ihre akute Infektabwehr sehr schlecht war, so dass der Chefarzt sie am liebsten in Isolation gesteckt hätte.
So stand die Abreise auf der Kippe.
Doch dann bekam Carlotta eine Aufbauspritze, die erlaubte, dass Carlotta & Co doch zähneknirschend und gegen ärztlichen Rat entlassen werden durfte.
Allerdings ging es Torge immer und immer schlechter beim Warten auf die Abreise zum Bahnhof.
Die Dame an der Anmeldung hatte dieses bemerkt und mit der Geschäftsführung geklärt, dass Carlotta und Torge zum Warten als riesige Ausnahme ein Zimmer bekamen, damit sie liegen konnten und nicht länger im Garten hocken mussten, ohne dass Torge auf die Kliniktoilette durfte wegen Corona. (Er musste dafür immer wieder zum Hotel laufen.)
Als Torge jedoch auch noch erhöhte Temperatur bekam und Carlotta auf Station um ein Fieberthermometer bat und erklären musste wofür, kam eine Maschinerie ins Rollen, die die kommenden Stunden zur Qual werden ließ. Die Pflege und Ärzteschaft wusste nämlich nichts von der Entscheidung der Geschäftsführung, Torge in die Klinik zu lassen, und war entsetzt und Corona-panisch. Carlotta und Torge wurden sofort des Klinikgeländes verwiesen. Wohlbemerkt auch Carlotta, da sie als Kontaktperson angesehen wurde.
Besprochene Termine zur Medikamentengabe (Infusionen) vor der Abreise waren somit auch plötzlich nicht mehr möglich und so ließen sich Carlotta und Torge in der Hoffnung, am Landeshauptstadtsbahnhof Hilfe zu bekommen, zum nächsten Bahnhof bringen. Carlotta, verunsichert, ob Torges Symptome gefährlich für sie werden könnten, versuchte so gut es ging, Abstand zu halten. Es war wirklich sehr, sehr schlimm für Torge mit seiner Übelkeit, Schwäche, und für Carlotta mit der Verantwortung und Angst vor dem Infektionsrisiko und dem Ausgang dieser Situation.
Hilfe bekamen sie dann dort aber nicht. Sogar die gerufenen Sanitäter hätten nur Torge mit ins Krankenhaus nehmen können – ohne Gepäck und Carlotta. Zugang im Krankenhaus hätte sie auch nicht erhalten und so fiel diese Möglichkeit weg.
Deshalb mussten die beiden Gestrandeten 5 Stunden am kalten, zugigen Bahnhof krank und ängstlich auf ihren Nachtzug warten. Als dieser eintraf und Carlotta und Torge sich endlich im warmen und gemütlichen Zugabteil ausruhen konnten, konnte etwas Angst und Anspannung von ihnen abfallen. Ganz im Gegensatz zu der Hinfahrt, die für beide schlaflos endete durch die Aufregung, konnten beide sogar einige Stunden schlafen.
Also sie fast 12 Stunden später am Zielbahnhof ankamen, warteten dort schon Insa, Frido und ihr Fellkind Henry auf sie. Es war ein freudiger Empfang.
Wieder zu Hause
In den ersten Tagen wieder zu Hause hielten Torge und Carlotta räumlichen Abstand auf Empfehlung der Ärzte bis klar wurde, dass es nur eine nicht infektiöse Darmentzündung und Magenschleimhautentzündung war.
Durch all die Erschöpfung, das Zurückkommen aus all dem Guten und der Tatsache, dass der Alltag nun weiterging, rutschte Carlotta in ein kurzes Tief.
Auch die gebuchte Strandkorbübernachtung unter freiem Sternenhimmel mussten sie absagen, was sehr traurig war.
Carlotta fragte sich, ob sie es dann überhaupt noch umsetzen könnte, da sowas frühestens ja erst wieder in einer wärmeren Jahreszeit im folgenden Jahr möglich wäre. …Ob sie dann noch leben würde oder noch fähig wäre sowas zu tun!?
Sie schrieb in ihr Tagebuch:
„Haben gerade ein Tief! Wahrscheinlich nach der tollen Krebsklinik und den tollen Erfahrungen dort… und nun hier: Alltag, krank, Überforderung, Erschöpfung und das so plötzlich so graue doofe Wetter. Irgendwie kam da alles zusammen: Auch wieder vermehrte Schmerzen, depri, die Absage der Übernachtung am Strand 🙁 … das Gefühl, Torge kann auch nicht mehr. Ich fühl mich allein, hässlich und eklig mit meinem dicken Blähbauch und den immer lichter werdenden Haaren und dem kranken Aussehen, schwach. Was aber wirklich doll drückt, ist, dass ich meine Schwäche nicht zeigen kann und nicht zum Ausdruck bringen kann. Alle sehen immer nur die Starke, der man Respekt zollt, sie bewundert… Und mich nervt das soooo soooo soooo. Ich bin doch auch nicht immer stark… ich wäre gern mal schwach und könnte das zeigen… hätte auch gern mal ne Schulter zum Ausheulen. Aber nee… ich komm aus der Kämpfer-Rolle nicht raus.
Hänge deswegen grad viel rum und mach nicht mehr so viel wie zuvor. Ok gut… ich mei,n das war ja auch echt viel vorher immer und es ist ja auch nicht so viel zu tun, weil vieles schon fertig ist… da darf ich vielleicht auch mal etwas ruhiger machen. Etwas relaxter sein, lockerer lassen. Das Doofe ist halt nur, dass wir uns viel Selbstwert über Machen und Tun holen und geholt haben und dann so ein Rumhängen ganz oft in Selbstanklage bis hin zu Selbsthass führt. Müssen da irgendne Lösung noch finden.“
Nur zwei Wochen später ging es dann schon los ins Ferienhaus, um dort an einem Samstag im September ihr Eheneuversprechen zu feiern.
Erster Punkt der Bucket-List: Eheneuversprechen
Wieder auf ihrem derzeitigen Lieblingsort angekommen, versuchte Carlotta, möglichst viele Sonnenscheinmomente zu erleben, so wie sie es nannte. Sunny und Enno, die auch zur „Neuvermählung“ eingeladen waren, kamen schon am Freitag und so konnten Carlotta und Sunny noch einen schönen Ausritt am und im Meer machen, was wieder sehr schön war.
Dann ging es auch gleich an den anstrengenden Aufbau und Dekoration der Pavillons im Garten des Ferienhauses. Glücklicherweise hatten sie dabei liebe Hilfe, und die Dekorateurin, die Carlotta & Co die Dekorationsarbeiten ja schenken wollte, war auch schon da. Alles wurde schlussendlich superschön, so dass am Samstag dann der Tag wirklich wunderschön wurde.
Um 11 Uhr kamen die Gäste und wurden mit Sekt bzw. O-Saft empfangen. Als alle da waren, ging es gemeinsam zum wirklich beeindruckend schön geschmückten Strandabschnitt, wo dann Stühle und Bänke zwischen den Strandgräsern mit Blick aufs Meer standen. Ute war die Rednerin und hielt eine sehr emotionale Rede, wo kein Auge trocken blieb. Als erst Carlotta und dann Torge noch persönliche Worte aneinander richteten, stockten ihnen so manches Mal die Stimmen und es wurden einige Taschentücher verbraucht. Die neuen Ringe wurden getauscht, Henry durfte dann auch irgendwann „endlich :)„ mit nach vorn, und im Anschluss wurden sehr schöne Fotos gemacht, die nun eine tolle Erinnerung an diesen besonderen Moment sind.
Dann ging es zurück zum Ferienhaus. Dort angekommen gab Carlotta auch bald die Getränke und das Buffet frei. Es war sehr lecker, kam ganz oft als Rückmeldung. Selbst konnte Carlotta ja nichts essen. (Für die künstliche Ernährung hatte sie den ortansässigen Pflegedienst wieder, wie zuvor im Sommer.)
Im Nachhinein war es für Carlotta zwar eine ganz tolle Erinnerung an den Tag, doch sie findet es bis heute traurig, gar nicht mit allen Gästen ausführlich geredet zu haben, weil sie ständig darum bemüht war, es jedem so gut wie möglich zu machen und auch immer am Gucken war: Hat jeder zu Trinken/Essen? Muss Geschirr abgeräumt werden? Wie sieht die Küche aus? Muss abgespült werden? Muss Naschie/Knabberzeug wieder aufgefüllt werden? …
Die kleine Feier ging erstaunlicher Weise bis ca. 1 Uhr nachts. Das war vorher nicht zu erwarten gewesen, da nicht klar war, wie gut Carlotta & Co durchhalten würden.
Am nächsten Tag wurde dann abgebaut, aufgeräumt, etwas durchgeschnauft, und noch einmal hieß es: Strandausritt auf ihrem Traumpferd Greta für Carlotta & Co. Die Bilder und Videos, die dabei wieder entstanden, sind nach wie vor beim Angucken freudige Momente.
Wieder im Alltag
Wieder zurück stand dann sofort die nächste palliative Chemotherapie an, die Carlotta allerdings nicht so gut vertrug. Auch die Blutwerte waren nicht sehr gut. Ihr Hämoglobinwert war so niedrig, dass sie hätte eine Bluttransfusion bekommen sollen. Doch Carlotta lehnte aus Triggergründen ab.
Generell verschlechterte sich Carlottas Zustand etwas mehr. Der Bauch war nun fast durchgängig sehr dick, gebläht, drückte. Es gab immer wieder Phasen, wo Essen und sogar manchmal Trinken an manchen Tagen null möglich war. Die Schmerzen und Darmkrämpfe nahmen zu, und der sowieso übliche Durchfall tat sein Übriges… auch an der Haut des Afters.
Aber in ihrem Kampf nachlassen wollte und konnte Carlotta nicht.
Zu dieser Zeit ging dann auch endlich diese Website mit dem Buchprojekt online!
An dieser Stelle noch mal ein großer Dank an Laura, Pia und ihren Mann für die Unterstützung, dass das möglich war, und für all die Arbeit, die noch folgen wird.
Denn das erwähne ich jetzt hier einmal: Der gesamte Buchtext war zu dem Zeitpunkt ja noch gar nicht geschrieben. Carlotta wollte gern nach und nach weiter schreiben – anschließend an Teil 12 – und das dann jeweils einfügen. Dabei machte sie sich immer einen sehr starken Zeitdruck.
Die Veröffentlichung war sehr aufregend! Sie bekamen auch schon bald wirklich liebe Rückmeldungen. 🙂 Danke
Es näherte sich dem Oktober. Der Zeit des Jahres, die erfahrungsgemäß jeweils psychisch am schwersten für Carlotta & Co war. Am 8.10. waren sie bereits ein Jahr ohne Magen. Und es machte sie traurig, denn als alles noch heilbar schien, hieß es immer: Nach einem Jahr ca. bessert sich das mit dem Essen-Können. Erst hatte sie so auf den Tag gefiebert und nun sah es ganz anders aus. 🙁 Insgesamt hatten sie nun schon 18 Monate nach der Erstdiagnose geschafft.
Anstrengende 18 Monate mit vielen über die Grenzen fordernden Behandlungen, Symptomen, Situationen, … Minuten, Stunden, Tagen…
Ihr wurde durch die Unterstützung von Herrn Willenbrink, mit dem sie jeweils in der zweiten Woche nach den Chemotherapien Therapie machte, bewusst, dass all das, was der Krebs erforderte, traumatisch auch Carlotta & Co einwirkte und dort auch noch zusätzlich notwendige Innens abgespalten wurden und neu dazugekommen waren.
Alles zusammen brachte Carlotta wieder in ein Tief. Besonders schlimm war es, dass sie den von den Nebenwirkungen immer schlimmer werdenden Chemotherapien nicht ausweichen konnte.
Sie hatte 12 dieser Folfiri-Chemos durchzustehen. Dann sollte ein CT folgen, um danach und anhand der Ergebnisse zu entscheiden, wie es weiterginge.
Doch das fiel Carlotta zunehmend schwerer. Sie hatte regelrechten Ekel gegen das eine Chemomittel entwickelt und es war jedes Mal ein Kampf, sich im 14tägigen Rhythmus dem auszuliefern. In dem Wissen, dass es richtig war, die einzige Chance zu Kämpfen war… es aber eigentlich nicht mehr aushalten zu wollen. Carlotta hätte natürlich jeder Zeit sagen können: Nein! Schluss jetzt! Ich will und kann das nicht mehr! Aber ihr System war schon seit frühesten Tagen so sehr auf Kampf und Überleben trainiert, dass sie das nie gekonnt hätte. Sie fühlte sich manches Mal dazu verdammt zu kämpfen. Verdammt immer die Starke, Bewundernswerte zu sein. Und in ihrem Inneren fühlte sie sich schwach, verletzt und allein.
Sie formulierte es so:
„Wir hatten ja überlegt, ob wir nicht mit Torge zusammen, wenn gar nichts mehr geht, in die psychosomatische Klinik hier gehen – da wo wir schon zwei Mal waren. Aber da gab es ne Absage, und ehrlich gesagt macht uns das ziemlich traurig und klaut den Anker, den wir sonst immer als letzte Möglichkeit hatten… es ist so fies: zu schlimm für Hilfe zu sein!
Das triggert leider sehr viel alte Ablehnung in Hilfskontexten. 🙁
Aber auch sonst ist ganz viel los hier: Gerade sind wir wieder so stark in der funktionierenden Fassade
im Beisein von Menschen. Und ich hab das Gefühl, je mehr diese Krankheit fordert, je mehr wir funktionieren MÜSSEN, um all das notwendige zu tun/auszuhalten, je mehr wir uns trigger-unanfällig machen müssen, desto mehr rücken wir von uns weg.
Als uns die Krebstherapien leichter fielen, war das SEIN ein klitzeklein wenig authentischer möglich – bei wenigen ausgesuchten Personen.
Aber nun spüren wir uns kaum noch (außer Schmerzen), „hören“ uns kaum noch … sondern halten die starre Fassade der „Starken“ Bewundernswerten aufrecht …sicherlich zu Schutz und weil es so erlernt ist… und aus Angst, die Schotten, sollten sie einmal offen sein, nicht wieder dicht zu bekommen…
ABER: schön fühlt sich das nicht an!
Das ist auch sogar mit Herrn Willenbrink momentan so.
Nur ein starres Reden DARÜBER… aber halt nicht SEIN
Zu der Schwierigkeit Öffnen und Zulassen kommt noch die riesige Angst und Blockade dazu, dass mir ja so schon das Durchziehen von Chemo so schwer fällt wegen des riiiiesengroßen Ekels vor dem einen Chemomittel, welches so säuerlich eklig schmeckt und stinkt und den kompletten Mund einnimmt und wo selbst Mundspülen ewig und Zähneputzen nichts bringt (selbst die Pipi stinkt, so dass ich dann immer fast würgen muss) und das ist sooo fies… wenn wir uns da durchquälen müssen
*
erinnert sehr an Ekeltraining,
wo WIR uns nun durchquälen 🙁
*
Ähhh… also was ich sagen wollte: Ich glaub zu dem Thema Öffnen/Zulassen kommt noch obendrauf, dass ich ja funktionieren MUSS – lebensnotwendig!!!
MUSS Sachen aushalten, gegen die sich aber mein Körper/Gefühl teilweise heftig wehrt (Ekel).
MUSS mich da selbst durch-QUÄLEN und ich glaub das geht nur, indem die Mauern des Nicht-Kontakts immer größer und dicker werden. Und es gibt halt keine Zeit, wo ich mal sagen könnte: nun ist es okay, sicher, ruhig, so dass wir zulassen könnten, weicher zu sein… zuzugeben, dass das eigentlich alles gar nicht auszuhalten ist (und das alles nicht willentlich gesteuert.
So nen Schalter mit der Gewissheit wäre suuuper – da ist echt ne riesige Sehnsucht danach:
Wenn wir jetzt mal 4 Wochen pausieren dürften und ich wüsste/hätte die Gewissheit und Garantie,
dass der Krebs auch Pause macht… und die Symptome garantieren mir, dass nicht plötzlich irgendwas Drastisches, Invasives jederzeit passieren könnte… erst dann und wahrscheinlich auch erst nach ner gewissen Zeit der Reorientierung wäre eventuell möglich, dass wir uns mal was für unsere verletzlichen Teile und verletzten Grenzen holen… aber so ist es nun mal nicht.
Der Krebs wird uns keine Pause gönnen.
Und genau DAS macht mir auch psychisch zu schaffen, dass ich weiß: es wird kein Ende geben. Es wird nicht besser werden, weil es nicht besser werden kann. Es wird höchstens ein Ende im Ende geben, aber kein gutes Ende. Wir werden uns bis zum Schluss keine Pause gönnen können, weil unser Lebenswille viel zu groß ist – antrainiert ist – die heftigsten Sachen durchzustehen.
Immer und immer wieder
uns tot-zu-schalten
still zu leiden
aber nie auszubrechen
…Ach und übrigens… seit gestern sind dann auch die restlichen eh schon kurzen Haare alle ab. Es wurde einfach zu licht auf dem Kopf. Ich konnte von der Stirn bis zum Mitte des Oberkopfes die Kopfhaut durch die Haare sehen.
Dann halt radikal ab damit. Auch wenn es mich doch etwas mehr traurig macht.
Trauriger als bei der ersten Chemo, weil ich da noch dachte, dass es ja nur ne gewisse Zeit ist.
Nun weiß ich aber, dass ich höchstwahrscheinlich nie wieder Haare haben werde… weil ich ja bis zum Schluss kämpfen werde und dann gehen halt die Haare aus… und ne Perücke möchte ich nicht. Die Zuzahlung wäre mir unsinnig für vielleicht ein paar Monate noch.
So kaufen wir uns halt bald noch schöne Mützen…glücklicherweise ist ja Mützenwetter.
Wir wissen in der Theorie, dass wir sämtliche Entscheidungen treffen könnten… bzgl. Chemo… auch Abbruch oder Zyklusverlängerung… es geht nur nicht. Wir erlauben uns das nicht!
Nein, ein Nachlassen bzgl. Krebstherapie geht für uns nicht.
Wir würden uns gegenseitig aufknüpfen, würden wir den gewohnten Weg verlassen.
DANN wäre es wohl eher so, dass unser System dann zusammenbricht, weil unsere Strukturen und Anteile alle auf Kampf ausgerichtet sind.
Notfalls – da bin ich mir sicher – werden wir immer und immer weiter spalten, um das auszuhalten.
Hatte schon überlegt, ob wir die trainierten Leute (Ekeltraining von früher) nutzen könnten für heute…
aber nein, es geht nicht. 1. sind die noch viel zu sehr traumatisiert. Die würden heute nie klar kommen. 2. will ich denen das nicht antun… denn sie sind nicht abgespalten vom Ekel, sondern haben
es „nur“ gelernt, diesen auszuhalten; 3. wäre es unserer Meinung nach sehr ungünstig, gerade irgendwas umzubauen – alles zu gefährlich im Sinne der Stabilität
Schwer alles!„
Wunsch-Schalter Wir wünschten, wir hätten einen Schalter …einen Schalter, der alles mal auf Pause stellt. Pause zum Durchatmen, Erholen, Denken. Pause von Symptomen, Schmerzen, Krämpfen und Behandlungen. Pause vom MÜSSEN… Vom FUNKTIONIEREN …vom eigene Grenzen überrennen Sich durch Ekel, Übelkeit quälen, was früher Täter übernommen hatten. Pause fürs Fühlen, fürs Sein Ohne straffen, gnadenlosen Funktionsmodus. Es ist alles so anstrengend. Die bewundernswerte, respektwürdige Starke zu sein – sein zu müssen. Leider. Denn der Krebs lässt keine Pause zu. Wir müssen kämpfen . Und auch unsere Grenzen bekämpfen, um etwas mehr Zeit zu haben. Zu wissen, dass es bis zum Schluss immer so weiter gehen muss. Macht betrübt. Denn wir sind doch so schon oft verletzt und erschöpft . |