Teil 4

In der neuen betreuten WG

Der Umzug in die neue WG kostete Carlotta sehr, sehr viel Kraft… Kraft, die eigentlich gar nicht mehr vorhanden war.  Sie war in einem katastrophalen Zustand – nach all den schlimmen Erkenntnissen, die ihr der letzte Klinkaufenthalt gebracht hatte, und nicht zuletzt durch den „Vorfall“ an ihrem letzten Wochenende .

Sie hatte größte Mühe,  in ihrer neuen WG anzukommen und ihr Leben zu gestalten.

Sie schrieb in ihr Tagebuch:

„Ich habe tierische Angst wegen der Täterkontakte! Das macht mich total unsicher. Ich könnte hier locker mal weg sein und niemand würde es bemerken. Herr Ahlfeld hat am letzten Tag in der Klinik noch mal deutlich klar gemacht, dass so keine Therapie möglich ist mit Täterkontakt. Und das macht mich richtig fies verzweifelt. Irgendwie fordert der immer was, was ich gar nicht hinkriege… in all dem Chaos lässt er mich ständig allein und rennt immer weiter voran, ohne darauf zu achten, wo ich noch in meinem Schneckentempo hänge.  Andererseits… ich glaube, es fiel ihm auch unheimlich schwer, das so durchzusetzen und zu sehen, wie verzweifelt wir sind. Da kam dann auch der blöde Spruch von ihm: „Vielleicht sollten Sie sich christliche Kreuze und Knoblauch aufhängen. Evtuell hilft das ja! Sie wissen schon – gegen Vampire hilft es ja auch“ und „Naja, wenn Sie dann umziehen, werden Sie vielleicht nur noch einmal die Woche missbraucht und nicht jeden Tag. Ist doch auch schon mal was!“ Er wollte wohl unheimlich witzig sein 🙁   und uns noch mal nen Spruch aufdrücken, weil er selbst so frustiert ist. Bei der Entlassung hatte ich das Gefühl, ich fahre zu meiner eigenen Schlachtbank. Hätte am liebsten geheult, geschrien… Aber was nützt es!? Ich steh so ohnmächtig vor der ganzen Situation! Weiß auch echt nicht, wie das weitergehen soll. Könnte mich eigentlich aufgeben. Aber gerade ist mir mal wieder alles egal….ich versuche hier gar nichts mehr  zu entscheiden… stumpf weiter… Tagesstruktur adé!“

Auch in ihrer Selbsthilfegruppe fühlte sie sich nicht mehr  am richtigen Platz. Sie konnte dort nicht sie selbst bleiben und switchte immer wieder und störte dadurch den Gruppenablauf. Sie hatte einerseits Angst, auch diese Stütze zu verlieren, andererseits spürte sie auch, dass es so nicht weitergehen konnte. Die Gruppenleiterin bat Carlotta, vor dem kommenden Treffen in ihr Büro zu kommen.

Der einzige Anker zu der Zeit war Jannis, den Carlotta kennengelernt hatte, weil er auch in der WG wohnte und dort betreut wurde. Mit ihm konnte Carlotta gut Zeit verbringen und sich ablenken – Fernsehen, Playstation spielen, Filme gucken, Musik hören, reden – und sie fühlte sich nicht ganz so allein.

Carlotta bemerkte auch bald, dass ihre Hoffnungen in Frau Trümmer zu hoch gegriffen waren. Sie hatte wenig Ahnung von DIS und schon gar keine Erfahrung im Umgang mit Betreuten mit rituellem Hintergrund. Carlotta schrieb in ihr Tagebuch:

„Hatte heute das Gespräch mit Frau Trümmer. War ganz schön anstrengend. Irgendwie hatte ich mich darauf gefreut und gehofft… – hatte aber natürlich nicht berechnet, das sie gar nichts weiß! So viele Fragen…, obwohl ich auf Hilfe und Stütze gehofft hatte. Das kam dann recht schlecht an und ich fühlte mich so, als hätte sie hinterfragt, ob ich wirklich Viele bin. Mittlerweile weiß ich, dass es nicht so war. … trotzdem 🙁  „

Es ging ihr ganz und gar nicht gut. Sie hatte große Angst um ihre Sicherheit. War dadurch ständig unter großer Anspannung und Panik und konnte kaum schlafen. Tagsüber kompensierte sie diesen Druck über Fressen-und-Kotzen und auch ihre Selbstverletzungen wurden wieder schlimmer.

Als dann auch noch eine ihrer Freundinnen, Julie, in „ihre“ Traumaklinik ging, war es ganz schlimm von den Gefühlen, denn sie wusste, würde ihr Zustand so bleiben, könnte sie nicht mehr dorthin. Sie konnte nicht verstehen, warum die Welt so etwas Ungerechtes zulässt. Ihre Täter lebten friedlich und zufrieden vor sich hin und sie musste so „rumkrüppeln“.

Vor der nächsten Selbsthilfegruppen-Sitzung besprach die Anleiterin mit Carlotta, dass es wohl sinnvoller wäre (für alle Beteiligten), dass Carlotta aus der Gruppe ausstieg. Dafür würde die Anleiterin ihr ein Einzel alle 2 Wochen anbieten. Carlotta empfand das als gutes Angebot, da sie ja selber merkte, wie sehr es sie anstrengte in der Gruppe, aber sie fühlte sich nur einmal mehr ausgestoßen.

FILMRISS

Carlotta wurde bewusst, dass sie wieder Täterkontakt hatte.  Doch sie reagiert nicht – versuchte, alles kompensatorisch wegzulachen und wegzurennen. Fühlte sich die nächsten Tage völlig getrieben, im Nebel, taub und unruhig zugleich: … fressen, kotzen, … was als nächstes, was nun… 

Tagebucheintrag:

Bin gerade mal wieder völlig frustriert.
Habe heute wieder den ganzen Tag mit Fressen und Kotzen verbracht. Und wenn ich mal nicht gerade allen Leuten die Sachen weggemampft habe oder schon die nächste Einkaufstour geplant habe oder schon vor dem Kotzen das nächste Essen vorbereitet habe oder mir überlegt habe, wie ich das am besten schichte, damit es am einfachsten rauskommt, oder wieviel ich noch trinken muss, um es flüssig genug zu halten, oder wie ich mich gefragt habe, wie meine Bauchmuskeln das noch mal wieder schaffen sollen, oder wann meine Speiseröhre endgültig ihren Geist aufgibt, oder wie ich mich am besten auf meine zittrigen Beinen vor dem Klo festhalten kann, um nicht umzufallen, … dann habe ich mich ekelig, dreckig, fett, stinkig und erbärmlich gefühlt, konnte keine Ruhe für uns finden, sowieso keinen Tagrückblick mehr erstellen und das Ganze einfach nicht stoppen…
Wie ich es „alle Tage wieder“ versuche, als ob es unser größtes Vorhaben und Wunsch für’s neue Jahr wäre.
Und so ist jeder Tag ein verlorener erster, erster.
KAMPF: SUCHT GEGEN WUNSCH UND VERNUNFT

In der folgenden Therapiesitzung mit Frau Sommer nutzten Carlottas Anteile die Gunst der Stunde und berichteten verzweifelt von dem erneuten Übergriff. Nach der gefühlsgeladenen Stunde riet Frau Sommer, die Sicherheitsmaßnahmen auszubauen: Handynummer ändern, engmaschigere Therapiestunden, neue Notfalliste erstellen und Carlottas Autoschlüssel bei der Wohnbetreuerin abgeben (damit die Täterintrojekte etwas eingegrenzt werden würden). Auch wollte Frau Sommer sich mit Frau Trümmer telefonisch absprechen, wie sie vorgehen wollte.

Nach dem Telefonat zwischen Frau Trümmer und Frau Sommer wurde klar, wie sehr überfordert Frau Trümmer mit dieser Situation war, denn sie rief ungefragt Herrn Ahlfeld an und bat um erneute Aufnahme von Carlotta, da es ihrer Meinung nach bei Carlotta auf der Kippe stand. Herr Ahlfeld reagierte nicht so, wie Frau Trümmer es sich wohl erhofft hatte: Er sagte, dass er sauer wäre, wenn er das so alles höre, dass 3 Monate Arbeit für die Katz waren und dass Carlotta die Bedingungen zur Wiederaufnahme kennen würde.

Carlotta reagierte sehr entsetzt auf Frau Trümmers eigenmächtige Entscheidung, Herrn Ahlfeld anzurufen und ihm von ihrem Zustand zu berichten. Sie hatte Angst, Herr Ahlfeld würde denken, dass sie versuchte, sich so in die Klinik einzuschleichen, obwohl sie doch seine klaren Regeln kannte.

Es war ein klarer Bruch zu Anfang in dem Betreuten-Betreuerverhältnis entstanden. Doch darauf konnte sich Carlotta nicht konzentrieren, denn sie durfte nun, nach wenigen Wochen, ihr Notzimmer verlassen und ein größeres Zimmer in einer WG im Obergeschoss beziehen. Dieser Umzug kostete sie wieder viel Kraft. Und doch hatte dieser Umzug auch etwas Gutes: Carlotta fühlte sich in ihrem Zimmer viel wohler als in ihrem Notzimmer, und auch ihre neue Mitbewohnerin war sympathischer als all ihre komischen Mitbewohner aus der Not-Zimmer-WG. Sie schien auch vom Hygienebedürfnis ähnlich gestrickt zu sein, wie Carlotta.

Als Carlotta zu ihrer folgenden Therapiesitzung bei Frau Sommer eintraf, hatte Frau Sommer bereits eine Klinikeinweisung in der Hand. Sie berichtete, dass der Anruf von Frau Trümmer bei Herrn Ahlfeld eine ganze Lawine losgetreten hatte. Er hätte daraufhin ein Teamkonferenz initiiert und beschlossen, dass Chatlotta doch aufgenommen werden könnte unter der Bedingung, dass sie mit Frau Huskamp (einer DIS-Spezialistin) arbeitete, wenn diese dort zur Supervision wäre. Carlotta war vollstens geschockt und schrieb in ihr Tagebuch:

„Oh Gott, … da hat Frau Trümmer ja etwas angestellt! Die hat alle verrückt gemacht und mich hat niemand gefragt! (…) Ich bin richtig geschockt! Geht es mir oder den anderen wirklich soooo schlecht, ohne dass ich es so gravierend wahrnehme – zumindest nicht so, hier Holland in Not zu machen!? Bin ziemlich unentschlossen. Natürlich sehne ich mich nach der Therapie mit Herrn Ahlfeld und den Klinikbedingungen, denn ich bin heillos überfordert, hier alles durchzusetzen, was an Sicherheitsmaßnahmen eigentlich vorgeschrieben ist… andere Innies wollen ganz und gar nicht und es klappt hinten und vorne nicht. Ich glaube, dass unsere Täterintrojekte unbedingt das Leben so beibehalten wollen. Vielleicht auch, weil es zu gefährlich ist, schon wieder zu fliehen. Und was bringt das dann, wenn ich die Grundbedingungen von Herrn Ahlfeld kenne… Ach, ich weiß es nicht! Bin unschlüssig und durcheinander. Heute kann ich erstmal gar nichts entscheiden! Irgendwie macht dieses Chaos ganz schön allein – weil es keiner mehr versteht.  Aber eins weiß ich, Frau Trümmer hat nen Problem mit mir!“

Am folgenden Tag rief Carlotta bei Herrn Ahlfeld an. Dieser hatte indes schon ein Zimmer für Carlotta bereit gehalten. Doch Carlotta sagte Herrn Ahlfeld ab – zumindest für die am nächsten Tag folgende Aufnahme.

„Ich habe ihm erstmal abgesagt! So schnell geht das schon gar nicht! Ich bin zwar sehr gerührt, dass er sich so bemüht und schnell reagiert hat und entgegen seiner eigenen Aussage (Therapie mit Täterkontakt ist nicht möglich) doch ein Angebot macht… aber ich wusste doch gar nichts davon! Das war doch die Trümmer! Ich habe ganz ehrlich auch Angst, dass ich ihn und mich schon wieder enttäusche, wenn meine Leute nicht bereit sind auszusteigen und ihn womöglich schon wieder verarschen. Ich habe Angst vor seinem Druck, vor seinem Nicht-Verstehen und vor seinen Sprüchen  beim Scheitern.“

Herr Ahlfeld verstand und bot ihr an, trotzdem die Live-Sitzung mit Frau Huskamp zu machen – auch ohne Klinikaufnahme. Doch die Täterintrojekte machten in der Zeit der Entscheidung so einen Stress, drohten, setzten Carlotta unter Druck, dass sie auch diese absagte.

Sie hatte einerseits Respekt vor den Täterintrojekten und ihrer Macht, andererseits befürchtete auch sie dramatische Konsequenzen von den Tätern, würde sie den Weg der Sicherung weiter gehen. Sie war sich der Zwickmühle, in der sie sich befand, bewusst. Würde sie versuchen, sich zu sichern, würde der Gegendruck auf der Täter- und Täterintrojektseite dramatisch hochschnellen und sie hätte trotz gutem Grundgedanken nur eine neue Krise ausgelöst – außerdem fragte sie sich immer wieder, wieviel Kraft überhaupt noch vorhanden wäre für irgendeine Entscheidung für einen Weg.

Versinken und Ertrinken im Nebel des Nicht-Seins.
So zieht das Leben vorüber.
Löcher reißen mich hinab auf den Grund.
Dunkel überall – kein Lichtblick.
Schwindel, Schmerz.
Gefühle dringen zu mir durch,
sie werfen mich um, ziehen mir die Beine weg.
Gefühle des drohenden Untergangs,
der Aufgabe, der Hingabe an das Schicksal.
So klein die Macht, etwas dagegen zu tun.
Kein Entrinnen,
Erlösung so fern.

Trotz der Absage zur Klinikaufnahme und dem Gespräch mit Frau Huskamp machten die täterloyalen Anteile weiterhin Druck.

Carlotta schrieb in ihr Tagebuch:

„Hatte ja gedacht, dass nach all den Entscheidungen, wie die es wollen, Ruhe ist. Aber nee… Die machen mich total wirr. Ich bin ständig kaum da. Mein Essen ist nach wie vor schlimm und dann gab es gestern wieder SVV. Alles ziemlich scheiße! Weiß manchmal gar nicht, was ich noch tun soll, um dagegen anzukommen. Bin so fertig… Schlafen ist auch ein Fremdwort geworden. Ständig liege ich wach, wirr und dreh mich hin und her und kann doch nicht schlafen…“

Der Abschied von der Selbsthilfegruppe war für Carlotta in diesem Zustand dann recht leicht zu ertragen, da sie keinerlei Kapazitäten für weitere schlechte Gefühle mehr frei hatte.

Auch in der folgenden Therapiesitzung bei Frau Sommer wurde klar, wie schwer es für Carlotta war, ihren derzeitigen  Zustand zu ertragen. Frau Sommer forderte Carlotta erneut auf, hinzusehen und hinzufühlen und auch wieder mehr in Kontakt mit ihren Anteile zu treten, damit nicht so Vieles im Dunklen bliebe und sie dadurch handlungsfähiger würde.  Doch nach der Stunde formulierte Carlotta:

„Frau Sommer macht sich total Sorgen um meine Sicherheit und kann nicht verstehen, dass ich manchmal so unvorsichtig und gleichgültig mit mir/uns selbst umgehe. – Ich habe ihr dann klargemacht, dass ich das ganze Ausmaß nicht fühlen/bewältigen kann…, dass ich das immer noch teilweise als „Geschichte“ ansehe und nicht fühlen kann, dass das wirklich ich bin. Von daher ist ein Übergriff mehr oder weniger nichts Schlimmes für mich. So heftig sich das auch anhört. Aber es ist so, dass ich vom Gefühl her immer gar nicht dabei bin bei diesen Übergriffen…  und dass es nicht mein Körper ist. Obwohl ich weiß, dass es anders ist und ich auch die Spuren hinterher sehe. Ich könnte das, wenn ich mir das wirklich klar machen würde, was da passiert, nicht ertragen. Ich könnte es nicht ertragen, meine Illusion, dass ich mich getäuscht habe und alle anderen sich auch täuschen,  zu verlieren, sonst könnte ich mir meine letzte Kraft, Hoffnung und meinen Selbstwert nicht bewahren. Ich glaube, ich würde aufgeben, wenn die Illusion gehen würde.

Das alles bewußt zu sehen, tut unheimlich weh und kratzt an meinen Pfeilern der „alten Carlotta“. Aber ich bin gerade so kaputt… ich kann das alles nicht schaffen als „meine Lebens­wahrheit anzuerkennen – fühlen oder sonstwas“.

Und doch versuchte Carlotta, nach Frau Sommers Ansage nicht länger komplett an ihrer unsicheren Situation mit ständigen Übergriffen vorbeizusehen. In Folge dessen wurde sie immer depressiver und hoffnungsloser, etwas aus eigener Kraft an ihrem Zustand ändern zu können. Sie fürchtete sich sogar vor Kurzschlussreaktionen ihrer Innenleute, denn sie bemerkte eine drastische Veränderung in Form von Desinteresse und Ruhe in ihrem Persönlichkeitssystem. Grundlegende Dinge für‘s Leben wie Einkaufen, Kontakte zu Freunden halten, wurden unwichtig. Selbst Schneiden und Kotzen hatte sich auf ein Minimum reduziert. Was jedoch wichtig zu sein schien, waren Dinge wie duschen, rasieren und genau gewählte Klamotten (Carlotta wollte niemals als ungepflegte Tote auf dem Tisch des Leichenbeschauers liegen).

Dieser Zustand bereitete ihr Angst. Zwar war sie mittlerweile auch müde zu kämpfen, und doch wollte sie nicht sterben. Sie formulierte:

„Ich fühl‘ mich als elendiger Verlierer und Schwächling in dem Trauerspiel, das sich Leben nennt!“

Sitze hier, weinend, zitternd, unruhig, aufgelöst,
es hat mich wieder gefasst dieses Gefühl
der Ohnmacht, Unsicherheit, des Kontrollverlusts.
Den Tag verbracht mit Ablenkung, Wegschauen
und Aufrechterhaltung meiner Clownsmaske.
Dem Aufbau einer großen Mauer zwischen innen und außen.
Doch zwecklos – nun holt mich alles geballt wieder ein
und ich bin vom Maskengesicht zu erschöpft, um etwas dagegen zu tun.
Was auch?
Habe nie gelernt, mich zu wehren, zu verteidigen,
ich durfte nie erfahren, wie es ist, auf das Gute zu vertrauen.
Auch wenn ich mich manchmal so scheinbar stark fühle,
muss ich nun zugeben, dass ich am Boden und schwach bin
wie ein kleines Kind, das Liebe, Schutz und Geborgenheit braucht
und keine Unsicherheit in jeder Lebenslage, Schläge, Folter, Qual,
Missbrauch, Drohung von euch!
Wer hilft in dem Leid, wenn die Aufgabe so nah ist?
Was hilft, wenn der Feind an allen Ecken lauert?
Wann kann ich endlich leben?
Wie wird das? Wie geht das?
Ich sehe keinen Weg!“

Auch Frau Sommer bereitete Carlottas Zustand Sorge, und immer wieder riet sie ihr, erneut in die Klinik zu gehen. Carlotta jedoch konnte sich nicht dazu entschließen. Sie hatte weiterhin zu viel Angst, die Anforderungen Herrn Ahlfelds nicht erfüllen zu können, ihn und sich selbst dann wieder zu enttäuschen und dadurch noch mehr an Hoffnungen zu verlieren.  Ein weiterer Aspekt, weshalb sie ihrer Meinung nach nicht in die Klinik konnte, war ihre Angst vor ihren täterloyalen Anteilen. Carlotta schätzte ihren Zustand zwar selbst auch als kritisch ein, jedoch war die Angst größer.

Sie schrieb in ihr Tagebuch:

Das ist echt ne harte Zwickmühle und Machtkampf. Denn ich weiß selber, dass Klinik gerade dringend notwendig wäre. Aber zu welchem Preis??? Ich bin verdammt nicht in Sicherheit… das zuzugeben fällt mir schwer. Mir das so bewusst zu machen, ist echt hart und klingt mal wieder voll unwirklich! Irgendwie versteht mich gerade keiner mehr – inklusive mir selbst: Frau Sommer will mich die ganze Zeit einweisen… Aber sie rafft halt die ganze Situation nicht! Die Einweisung wäre das Schlechteste, was mir passieren kann! Ich habe einfach eine Mordsangst davor! Ich weiß, dass dann etwas ganz Schlimmes passiert – und doch weiß ich nichts Konkretes… – Oder wäre es doch das Beste?? Weiß selber nichts mehr richtig! Warum kann mir nicht jemand den richtigen Weg aus der ganzen Scheiße raus zeigen?

Dann auch immer wieder diese Zweifel: Stimmt das, was wir da rausbekommen haben, überhaupt alles? Und noch viel schlimmer: Passiert aktuell wirklich immer noch etwas??? – Ist echt komisch, aber ich stückel mir zwanghaft meinen Tag immer so zusammen, dass ich glauben darf, dass gar nichts gewesen sein kann (gemeint sind aktuelle Übergriffe der Täter). Von daher schaffe ich es jeden Abend zu glauben, dass an diesem Tag nichts gewesen sein kann, weil ich das (…) und das (…) gemacht habe. – Will diese großen Lücken nicht sehen, weil es mich zu fertig machen könnte. Deshalb habe ich gerade beim Duschen totale Probleme, denn da kann ich an den „Beweisen“ nicht mehr vorbeischauen (oder Schmerzen auf Muskelkater, Bauchkrämpfe wegen des Kotzens schieben). Dann muss ich kurzzeitig mein „heile Welt“-Gedächtnis aufgeben/hinterfragen und das tut unheimlich weh! Ich kann diese Wahrheit einfach nicht ertragen!! Und irgendwie handeln kann ich schon gar nicht.“

Da sich Carlotta immer noch familiär verpflichtet fühlte und versuchte, sich damit abzulenken, fuhr sie über Weihnachten zu ihrer Familie nach Hause, obwohl sie dabei schon im Vornherein kein gutes Gefühl hatte.  (Zu diesem Zeitpunkt glaubte sie die Täter noch außerhalb ihrer „Kern-Familie“.)

Dort angekommen versuchte sie einen Spagat zwischen ihren Bedürfnissen/Ahnungen/Zweifeln und der familiären Verpflichtung zu machen. Ein weiterer Grund, dorthin zu fahren, waren ihre alten Freunde, die sie dort besuchen wollte, denn sie vermisste Teile ihres alten Alltags/Umfelds sehr.

Gute Welt in meinen Träumen.
Anker in meiner Erinnerung.
Und doch wird Licht zum Dunkel
und das Dunkel zum Licht.
Sehnen nach dem Alten, dem Verlorenen.
Und doch auch mit dem Wissen, etwas Schlechtes zu tun,
etwas Riskantes, etwas Unsicheres.
Gefesselt an unsichtbaren Ketten.
Verbundenheit mit dem Schlechten.
Und so wird Licht zur Dunkelheit
und Gut zu Böse.
Was bleiben sollte, ist der Wille, ein Ziel und Hoffnung auf Veränderung.
Was bleibt mir?

Als sie nach den drei Tagen wieder zurück in ihre WG kam, hatten die Tage ihre Spuren deutlich hinterlassen. Ihr Zustand hatte sich noch weiter verschlechtert. Ihr Persönlichkeitssystem war in totaler Aufruhr. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Auch körperlich war ihr Zustand schlimmer denn je, denn von den Übergriffen, vom kompensatorischen Kotzen, der Unruhe und den Gedanken war sie völlig am Ende ihrer Kräfte… voll analysieren, was das bedeutete, konnte Carlotta aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Als es dann Ende 2003 erneut zur schlimmen Selbstverletzung (Schneiden) kam und sie zum Nähen ins zuständige Krankenhaus musste, wiesen sie der Chirurg und der herbeigerufene Psychiater in die Aufnahmestation (in der auch Herr Ahlfeld zuständig war) ein.

Aufnahmestation

Am nächsten Morgen  hatte sie mit der Stationsärztin und Herrn Ahlfeld ein Gespräch. Doch Carlotta ließ sich entlassen. Sie hätte zurück auf die Traumastation wechseln dürfen, doch sie hatte immer noch zu viel Angst, Herrn Ahlfeld/sich selbst zu enttäuschen, und vor ihrem Innensystem und den Tätern… Eigentlich war ihre Absage in folgenden Punkten begründet: Die Täterloyalen wussten den Wechsel zur Traumastation mit Therapie zu verhindern, das Alltagsteam war sich klar, dass es den Anforderungen nie hätte gerecht werden konnte und wollte, und insgesamt hatten sehr viele Anteile Angst, dass sie danach mit hoher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Entlassungen, fiesen Sprüchen und zerplatzen Hoffnungen hätten klar kommen müssen.

Wieder zu Hause war sie sauer… sauer auf sich selbst, weil sie sich die Möglichkeit genommen hatte, vielleicht doch mit viel Glück Hilfe zu bekommen… sauer auf ihr Verhalten „einfach nur weg“, Lügen und Lachen, und nicht zu ihrem Zustand stehen zu können… sauer auf diese Zwickmühle zwischen Bedürftigkeit und ihrer Angst.  Sie versuchte diesen unerträglichen Zustand mit Wein abzutöten. Diesen Zustand nutzte ein Anteil Carlottas und rief in der Traumaklinik an.  Ava, ein Alltagsanteil von Carlotta, schilderte vom aktuellen Zustand und bat um erneute Aufnahme.

Doch bis zu dem vereinbarten Vorgespräch in der folgenden Woche für die Traumaklinik-Aufnahme schaffte es Carlotta nicht. Sie musste nach 4 Tagen erneut ins zuständige Krankenhaus zum Nähen und wurde wieder in die Aufnahmeklinik eingewiesen. Dort angekommen war sie einerseits erleichtert, nun Unterstützung zu bekommen, hatte aber auch Angst, dass Herr Ahlfeld den Eindruck bekommen könnte, sie würde so versuchen sich einzuschleichen und hätte mal wieder ihre Sprunghaftigkeit bewiesen.

Den Traum verlassen, liege ich am Boden.
Tränen lassen uns frieren.
Alles was uns noch hoffen ließ, ist nun zerstört.
Der Zwang der fremden Macht zu stark und grausam.
Nimmt uns mehr und mehr die Kraft zum Widerstand.
Mit Blut an den Händen scheinen sie uns immer noch zu drohen.
Dunkelheit, Schatten fangen uns.
Akzeptanz? Um in der Qual Ruhe zu finden?
Alles nur zum Waffenstillstand?
Aufgabe?
Hilfe so fern, denn sie werden immer stärker.

Und so verbrachte sie den Jahreswechsel auf der Aufnahmestation und bekam immer mehr Angst vor dem ersten Gespräch nach den Feiertagen mit Herrn Ahlfeld.  Der Klinikalltag fiel Carlotta sehr schwer, denn das Personal kannte sich mit dem Umgang von Patienten mit einer Dissoziativen Identitätsstörung nicht sehr gut aus. Carlottas Innensystem war in völligem Chaos durch den Zustand, in einer Klinik zu sein. Oftmals gelang es Carlotta nicht, Switches zu vermeiden… und so kam es vor, dass sie über lange Zeit völlig desorientiert zum Beispiel auf dem Flur auf dem Boden saß und nicht anwesend war. Das Personal kümmerte sich nicht darum… Patiententrauben bildeten sich um Carlotta… Bis schlussendlich doch eine Schwester sich erbarmte und versuchte, Carlotta wieder nach vorn zu holen. Dies gelang jedoch nur sehr schwer.

Im Hilfeplanungsgespräch nach der Aufnahme hatte Carlotta noch berichtet, wie es am leichtesten möglich  wäre, sie wieder nach vorn zu holen (kalte Tücher, bestimmte Namen von Anteilen rufen,…). Doch die Schwester lehnte dieses Vorgehen mit den kühlen Worten ab, sie würde bei ihrer Methode bleiben (wobei sie nicht sagte, welche Methode das wäre), und dass das mit den Namen rufen nicht ginge, da auf dieser Station duzen nicht erlaubt sei.

So verbrachte sie eine anstrengende Zeit auf der Aufnahmestation.

Im Gespräch mit Herrn Ahlfeld erfragte er zunächst die aktuelle Situation und Vorfälle der letzten Zeit zu Hause und war sehr bestürzt zu hören, was alles passiert war und wie wenig Carlotta sich schützen konnte. Er stellte dann die Aufgabe, sich innerhalb von 4 Tagen einig zu werden (zwischen Täterloyalen und dem Alltagsteam), ob Therapie in der Traumaklinik unter seinen Bedingungen (Kontaktabbruch zu den Tätern) ginge oder nicht. Anderenfalls würde er Carlotta auf der Aufnahmestation lassen.

Durch den Druck der Aufgabe, sich zu einigen, verstärkte sich die Lautstärke und der Kampf in ihrem Persönlichkeitssystem noch mehr. Ein täterloyaler Anteil versuchte seinem Unmut durch Schneiden Ausdruck zu verleihen, so dass ein Krankenhausaufenthalt nötig war, um die Schnitte zu versorgen.

Zeichen, die ihr gebt in roter Schrift, quälen mich,
lassen keinen Wandel zu.
Sobald nur ein Lichtstrahl zu erkennen ist,
stürzt ihr uns zurück ins Dunkel.
Lasst uns aus eurer Welt nicht entkommen,
malt Zeichen – die verbleiben,
sie lösen Ekel, Selbsthass, Hoffnungslosigkeit in mir aus,
geben euch dagegen Freude, Genugtuung, Anerkennung… euren Weg!
Doch gibt es einen gemeinsamen?

Carlotta befürchtete, dass das nun das endgültige Aus für die Klinikaufnahme bedeuten würde, doch Herr Ahlfeld berichtete ihr am nächsten Tag – ganz nebenbei auf dem Klinikflur, ohne das Ergebnis ihrer Hausaufgabe anzuhören -, dass sie zum Anfang der nächsten Woche in die Traumatstation wechseln könnte. Carlotta fühlte sich ersteinmal unheimlich erleichtert und froh. In ihrem Inneren brodelte es jedoch. Ihre täterloyalen Anteile waren mit diesem Ausgang der Entscheidung gar nicht einverstanden… waren rasend wütend, nicht gehört zu werden. Und so kam es in den folgenden Tagen bis zur Aufnahme 3x zu schweren Schnittverletzungen, die jeweils im Krankenhaus versorgt werden mussten.

Als Carlotta sich am Wochenende ablenken wollte und zu Besuch auf die Traumastation ging, um ihre Freundin zu besuchen, berichtete diese ihr, dass Herr Ahlfeld zu ihr gesagt hatte „Sehen Sie, Frau Dieks (Carlotta) ist auch wieder in der Aufnahmestation! So kann das werden, wenn man sich nicht einig über Täterkontakte ist. Bis das System gar nicht mehr kann und zu Grunde gerichtet ist… Man muss wissen/man muss sich einig sein über Leben oder Sterben! Sehen Sie Frau Dieks als schlechtes Beispiel!“

Als Carlotta das hörte, war sie nicht einmal sauer über den Vertrauensbruch und das Brechen der Schweigepflicht, sondern das Ganze hatte sie einfach umgeworfen, solche Worte über sich selbst und ihren Zustand zu hören.

Nach dem Besuch schrieb sie in ihr Tagebuch:

„Das ist alles soooo … 🙁 Als ob ich nicht mal die Entscheidung habe zu leben oder zu sterben. Hoffnungslosigkeit, kein Weg. Ich kann nicht mehr! Wenn das so weitergeht, gehe ich so bei drauf! Ich will nicht völlig zerstört sterben, dann lieber selbst!“

Traumastation

Trotzdem wurde Carlotta wie besprochen zum Anfang der Woche auf der Traumastation aufgenommen. Im Aufnahmegespräch versuchte Herr Ahlfeld, Carlotta zu ermutigen, weiter zu kämpfen. Es kamen jedoch auch wieder zu seinen üblichen Parolen: „Sie müssen sich einigen!“ „Das hier ist kein Sterbehospiz – hier wird Therapie gemacht und nicht gestorben!“ „Ihr müsst euch bewusst sein, dass alle nur einen und zwar den gleichen Körper haben und dann zusammen zugrunde gehen und sterben!“

Das Gespräch endete mit dem Dialog:

 Herr Ahlfeld: „Wird schon!“

Carlotta: „Hoffentlich!“

Herr Ahlfeld: „Hoffen reicht nicht! Dran arbeiten!“

Carlotta verließ völlig traurig, wütend und hoffnungslos den Therapieraum und dachte sich:

„Wenn es doch nur so einfach wäre!… Es heißt doch nicht, dass wir nicht arbeiten – nur weil wir zu keinem einheitlichen Ergebnis kommen!“

Sie hatte keine Kraft mehr und Hoffnung auf Besserung war auch Magelware. Oft dachte sie daran, einfach aufzugeben, sich ihrem Schicksal zu überlassen, nur um die erwünschte Ruhe zu finden. Doch gleichzeitig war sie sich auch bewusst, dass dies ein Weglaufen/Flüchten wäre, und deshalb wollte sie diesen Gefühlen nicht nachgeben.

Carlotta hatte das Gefühl, alle würden denke, sie täte nicht genug, und das machte sie sehr traurig:

„Ist immer so ein blödes Gefühl, Herrn Ahlfeld zu sehen, wenn man weiß, dass er total unzufrieden mit uns ist. Sonst hatten wir immer das Gefühl, er mag uns und weiß, was wir leisten. Aber so jetzt, wenn es nur Druck/nicht machbare Forderungen von ihm gibt und er sich nicht in unsere Lage hineinversetzen kann, fühlt sich das sooo ungut an.“

In den kommenden Therapiestunden versuchte Herr Ahlfeld, mit den täterloyalen Anteilen zu arbeiten, und es gab sogar einige neue Erkenntnisse. Zwar immer noch weit entfernt von einer Einigung, doch es ging voran  – zumindest waren nun schon Gespräche ohne Beschimpfungen möglich.

Doch diese scheinbare Ruhe sollte nicht lang halten, denn Carlottas 24ster Geburtstag stand an. Sie fühlte sich sehr hin und her gerissen zwischen familiärer Verpflichtung, ihre Eltern zu besuchen, und ihrem eigentlichen Gefühl, lieber in der Klinik bleiben zu wollen, und ihrem Bedürfnis nach Ruhe. Diese Gedankengänge Carlottas  waren  aber unnütz, denn Herr Ahlfeld erlaubte Carlotta keinen Wochenendurlaub. Carlotta durfte ihre Eltern (zu dieser Zeit war weder Herrn Ahlfeld noch Carlotta klar, dass Carlottas Eltern auch zu dem Kreis der Tätern gehörten) lediglich in der Stadt treffen und mit ihnen Essen gehen und sollte nach 4 Stunden wieder in der Klinik sein.

Dieses Treffen war nicht ohne Nachwirkungen auf Carlottas System geblieben. Zusätzlich hatte es einen Anruf von Tätern auf dem Patiententelefon gegeben, an das Carlotta eigentlich gar nicht ran gedurft hätte.

Carlottas Zustand war nun fast nicht mehr haltbar. Es herrschte Chaos und  Angst an allen Fronten.

Verschiedene Vorstellungen.
Gegensätzliche Wege.
Anderer Glaube.
Alle wollen entscheiden,
glauben DIE Richtigen zu sein,
nichtsachtend der anderen.
Jeder will SEINEN Weg gehen,
doch wie in einem Körper?
Ohne ihn weiter zusätzlich zu zerstückeln –
wie einst unsere  Seelen?
Und so wird der Körper zum Kampfplatz
um Macht und DAS Leben!
Rote Grenzen werden gezogen… immer wieder.
Doch weicht auch jedes Mal etwas Lebenssaft
und der Kampfplatz Körper wird schwächer und müder.
STOPP!!! Er ist doch unser aller Heim.

In Folge dessen wurde in den folgenden Tagen wieder fast täglich geschnitten, so dass jedes Mal eine Versorgung im Krankenhaus notwendig war.

Die täterloyalen Anteile verbreiteten in Carlottas System Angst und Schrecken, indem sie Drohungen mit Blut an die Fliesen schrieben oder kultische Zeichen malten – mit den Sätzen „Ihr entkommt uns nicht!“

Eine neue Gruppe Kinder war nun auch weiter in den Vordergrund gerückt und berichtete Einzelheiten aus Kult-Traumasituationen. Diese wiederum bereiteten bereits bekannten Anteilen Angst und Schrecken.

Als Reaktion auf Carlottas Zustand wurde sie noch engmaschiger kontrolliert. Durfte ihre Zimmertür nicht mehr schließen und schlief auch oft im Aufenthaltsraum – im Sichtfeld der Nachtschwester.

Als Carlotta ihren Autoschlüssel abgenommen bekam, drehte ein jugendlicher Anteil Runa durch. Sie wollte einfach nicht noch weiter eingeschränkt werden – zwar war Carlotta schon länger nicht mehr Auto gefahren seit Klinikaufnahme – doch ging es ihr ums Prinzip. Herr Ahlfeld stellte erneut ein Ultimatum von zwei Tagen, um Einigkeit diesbezüglich zu sichern und weiter Therapie zu machen, oder nicht zu sichern und dann auf die allgemeine geschlossene Station in einem Klinikum verlegt zu werden, in der er nicht zuständig war.  Runa daraufhin: „DANN SOFORT DIE ENTLASSUNG!“

Die Bezugsschwester überredete Carlotta jedoch noch zu bleiben und die demnächst geplante Fall-Supervision  mit Frau Huskamp zu machen. Carlotta willigte ein, da sie einfach nicht gehen wollte.

Von dieser Fall-Supervision bekam Carlotta (als Hauptalltagsperson) rein gar nichts mit, denn ein Anteil war in diese Sitzung gegangen, andere Anteile hatten dort mit Frau Huskamp geredet und waren auch wieder gegangen.

Nach der Sitzung schrieb Carlotta in ihr Tagebuch:

„Irgendwer muss hochgegangen sein . Ich habe Frau Huskamp noch nicht mal gesehen! Schwester Babsi meinte aber, es war wohl ganz gut“

Nach der Sitzung formulierte Bruno, ein täterloyaler Anteil, dass er nun auch aussteigen wolle, aber nicht aus den gleichen Gründen wie die anderen Ausstiegswilligen Carlottas, sondern weil seiner Meinung nach in dieser Sekte einige Gesetze Satans falsch ausgelegt und angewandt würden.

In der Nachbesprechung der Fall-Supervision teilte Herr Ahlfeld Carlotta mit, welche Strategie das komplette Team mit Frau Huskamp für sie besprochen hatten. Denn in der Fall-Supervision wurde klar, wie sehr und an welchen Stellen Carlottas Anteile noch abrufbar waren. Sie waren der Meinung, es gäbe nur eine Lösung für Carlotta:

– kein Ausgang

– keine Besuche

– kein Handy

– keine Post

– keine Autoschlüssel

– keinerlei Kontakte nach außen

– totale Überwachung durch das Personal mit B-Bogen (Bewachungsbogen)

Sobald eine Regel gebrochen würde-> Entlassung oder Einweisung auf geschlossene Station (mit den gleichen Regeln).

Und wenn dies klappen würde:

– Namensänderung

– verdeckter Wohnortwechsel, ohne Spuren zu hinterlassen

Carlotta reagierte auf diese Neuigkeiten völlig bestürzt. Sie konnte diese Wahrheit nicht ertragen und geriet in Panik, die völlige Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben. Sie schrieb in ihr Tagebuch:

„KRIIIEEESE! Ich glaub’s echt nicht! Krimi! Irreal! Adé „alte Identität, „alte Carlotta“, alte Freunde,… Klingt wie im Krimi und tut soooo weh! Alter, Scheiße! Was mach ich? Was machen wir??? Mir geht es so scheiße wie lange nicht! Ich bekomme nichts mehr mit außer dem riesigen Druck von innen um diese vorgebenen Ziele und Regeln. Der ganze Körper schmerzt und ich bin nur noch im Nebel! Gerade schon wieder heftigst geschnitten und zum Flicken im Krankenhaus gewesen. So viel im Kopf: Kinder, die schreien. Pläne für die Zukunft. Namensvorschläge. Drohungen: „Ohne Satan, kein Leben“ Wir müssen zurück“ „Wir werden euch besiegen – ihr habt keine Chance“. Sind sooo neben der Spur! Nehmen nichts mehr wahr. An Therapieteilnahme ist gerade überhaupt nicht zu denken. Einziges Ziel: Überleben!

Manchmal denke ich: Wozu? Warum noch kämpfen? Wir schaffen das eh nicht! Wir sind zu schwach und sie sind zu stark. Wir müssen aufgeben. Zu Hause ist es ruhiger – Aber ich stelle mir die Frage: Weniger vernichtend?

Herr Ahlfeld sagte mir auf diese Reaktion der Aufgabe: „Viel Spaß beim Sterben!“ Er guckt gar nicht, wo wir stehen.

Es ist einfach nur noch ganz ganz ganz übel!“

Infolgedessen kam es natürlich zur Reaktion von den täterloyalen Anteilen in den folgenden Tagen: Sie randalierten im Zimmer und warfen Stühle, Tische, CDs , Schuhe durchs Klinikzimmer und verletzten sich dann auch noch.

Carlotta versuchte dagegen, all ihre noch verfügbare Kraft in Ablenkung zu investieren: Kniffel, Eispack, Puzzle, Malen, Schreiben, …

Doch ihre Gegenwehr und Hoffnung, es je zu schaffen, sank von Tag zu Tag. Sie fühlte sich von den Taten der täterloyalen Anteile dazu gezwungen aufzugeben, nach Hause zu fahren, abzubrechen, sich dem Schicksal zu überlassen. Die Kontaktsperre nach außen fiel ihr wegen ihrer Freunde auch unheimlich schwer. Sie wurde nach und nach schwächer.

Gedanken an den Tod
Manchmal erleichternd und nicht so furchtbar ausgeliefert und ohnmächtig fühlt man sich,
wenn man darüber nachdenkt:
Wie? Wie am besten? Was brauche ich? Klappt es? Und dann?
Ruhe!!!
Kein unerreichbarer Sieg als Ziel, das ermüdet, verwirrt,
alle Kraft kostet und und die Kontrolle klaut.
Es scheint so leicht, so schön und gut.
Ich halte es nicht mehr aus!
Diese Kontaktsperre macht es mir leichter:
“Aus den Augen aus dem Sinn”

Als wäre das alles schon nicht schwer genug, startete durch Erinnerungen, die ein kleiner Anteil Herrn Ahlfeld berichtet hatte, ein Programm bei Carlotta. Ein programmierter Anteil, Mara, kam nach vorn und versuchte, sich mit dem Duschschlauch zu erhängen. Durch die gute Kontrolle der Schwestern wurde jedoch ein dramatischer Ausgang dieses Suizidversuches verhindert.

Der herbeigerufene AvD wies Carlotta auf die geschlossene Krisenstation des Klinikums ein.

Geschlossene

Das erste Mal auf einer geschlossenen Station war für Carlotta und ihre Anteile ein Schock. Es war extrem laut und auch in ihr herrschte eine extreme Lautstärke. Die Mitpatienten erschreckten sie auch sehr und triggerten ihre Innenanteile.

Sie bekam ein Bett im Überwachungsbereich zugewiesen, welches auch mit Fixiergurten hergerichtet war. Für den Überwachungsbereich war extra ein Pfleger zugeteilt, der die Patienten des Ü-Bereichs nie aus den Augen ließ – auch zum Toilettengang nicht.

Carlotta ging es sehr schlecht: Sie hatte Hals- und Kopfschmerzen durch das Würgen, sie war extrem wirr und durch und durch ängstlich.

Zum fast schon „komischen“ Höhepunkt in diesem Trauerspiel kam es in der ersten Nacht: Ein psychotischer Mitpatient des Ü-Bereichs stand plötzlich vor Carlottas Bett und predigte von „Satan und Jesus“. Das war alles viel zu viel für Carlotta und ihr System. Sie brach völlig in sich zusammen und war die komplette Nacht nicht mehr ansprechbar. Die Pfleger machten sich große Sorgen und Vorwürfe wegen dieses Vorfalls und bemühten sich sehr um Carlotta.

Am nächsten Morgen wollte Carlotta einfach nur noch weg von dieser Station, obwohl in ihrem Inneren  Mara immer noch aktiv war und versuchte, jede Gelegenheit nach Möglichkeiten abzusuchen, sich aufzuhängen. Doch es war Wochenende und sie musste noch bis zum nächsten Montag auf die Visite mit Herrn Ahlfeld warten.

Geschlossen
Gedanken an den Tod
Türen, Fenster schließen sich.
Gitter, Bewachung, nie allein,
und doch diese Ohnmacht
und Fehlen der freien Entscheidung und Freiheit.
Nie allein und bewacht
vor uns selbst.
Vor dem Auftrag uns die Gurgel zuzudrücken,
Lebensluft zu nehmen.
So stark und unkontrolliert
– macht uns Angst
und zeigt uns:
Wir wollen doch nur leben.
Wir wollen kämpfen,
auch mit letzten Kräften
aus dem endgültigen Abgrund heraus.

Am Montag führte Carlotta mit Herrn Ahlfeld ein sehr ernstes Gespräch. Er berichtete, dass es von Carlotta und ihren Anteilen dringend eine Einigung zum Thema Ausstieg  geben müsse, da die Krankenkasse nur noch für wenige Tage den Klinikaufenthalt bewilligt hatte. Wenn Carlotta nicht stabiler werde,  würde Herr Ahlfeld sie per Beschluss auf der Geschlossenen, notfalls auch gegen ihren Willen, dabehalten. Er eröffnete ihr die Möglichkeit, tägliche Sitzungen zum Thema “Einigung” zu führen und es noch einmal auf der offenen Traumastation zu versuchen. Zusätzlich hatte er die Bedingung eines “Anti-Suizid-Vertrags”.

Darauf ging Carlotta ein, denn sie wollte einfach nur noch weg. Doch schon nach einer Nacht wieder auf der Traumastation dachte sie, dass ihre Entscheidung falsch war, da sie den Vertrag gar nicht 100% erfüllen konnte. Sie schrieb in ihr Tagebuch:

“Hier war das schon wieder so schlimm, dass Mara schon wieder 2x versucht hat, Schluss zu machen. Ich/Wir können das kaum noch kontrollieren. Jetzt haben wir ein 1/2 Std. Überwachungsprogramm von den Schwestern. Ich glaube, dass die Entscheidung falsch war, darauf zu drängen, aus der Geschlossenen zu gehen (da waren wir uns mal einig. Das Gefühl unfrei, ohnmächtig, ohne eigene Entscheidungsfreiheit war soooo groß). Wenn wir jetzt mit Beschluss zurück müssen, ist es aus! Dann rasten alle völlig aus! Dabei wollen wir doch nur leben!!

Abgrund! Da bin ich gerade und zappel und nichts kommt dabei heraus, außer dass ich noch tiefer rutsche!”

Deshalb bat sie um Verlegung zurück auf die geschlossene Station. Doch kaum dort angekommen, hatte sie auch schon wieder Angst, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Sie hatte Angst, was dieser freiwillige Entschluss nun in ihr auslösen könnte und was Herr Ahlfeld denken könnte bei diesem Hin und Her, sie hatte Angst vor erneuten Schuldzuweisungen, dass es nur nicht klappen würde, weil sie schuld wäre… nicht genug wolle. Sie hatte Angst vor erneuten erniedrigenden Sprüchen von Herrn Ahlfeld und den Verletzungen und der Hoffnungslosigkeit, die daraus resultierte.

Im ersten Gespräch mit Herrn Ahlfeld wurde thematisiert, dass erarbeitet werden müsse, welche problematischen Bereiche zum Thema Ausstieg bestanden, wer etwas dagegen hatte und warum. Und welche Punkte in einem Ausstiegsvertrag geregelt werden müssten. Dann hagelte es wieder Parolen “Es muß von euch allen kommen”, “Halbschwanger gibt es nicht!”

Im Gespräch am folgenden Tag machte Herr Ahlfeld noch einmal unmissverständlich klar, welche Bedingungen es für die Zurückverlegung auf die Traumastation gab: zumindest so stabil zu werden, dass kein Schneiden und Erdrosseln/Aufhängen mehr passierte. Und Einigkeit zum Thema Ausstieg.  Anderenfalls würde er Carlotta soweit stabilisieren, bis sie nicht länger suizidal wäre, aber sobald keine positive Entscheidung für das Ausstiegsvorhaben getroffen werden könnte, würde er sie entlassen.

Da bei Carlotta jedoch Mara immer wieder aktiv wurde und versuchte, sich zu erdrosseln, war der Weg zurück auf die Traumastation unmöglich. Ihr Zimmer wurde dort für Carlotta geräumt und neu vergeben. In Carlotta brach eine Welt zusammen. Sie fühlte sich aller Auswege beraubt.  Sie fühlte sich von allen Seiten bedroht. Sie schrieb in ihr Tagebuch:

“Es ist so schlimm, nicht mehr Kontrolle über Leben und Tod zu haben! Ich hänge nur noch am Tod fest, dass „ich“ gerade denke: Wo ist die nächste Klinge, Glas, Tabletten, Strick… Scheiße! Und bei all dem Durcheinander lächel ich und plauder fröhlich, weil eh keiner hier wirklich umfänglich versteht! Ahhhhh!

Ich will vielleicht auch weg hier… nach Hause… einfach weg! Es bringt doch nichts! Ich will mich ergeben! Einfach Schluss machen oder mich den Tätern übergeben und als “Aussteiger/Verräter” ermordet werden! Hier geht das ja nicht!

Scheiß Ahlfeld! Zuerst dachte ich, er hätte kapiert… als er sagte, dass wir da noch mal genauer hingucken müssen, was da an der Einigkeit so schwierig ist, aber dann im gleichen Moment: Super hohe Ansprüche, schlaue Sprüche – der weiß nichts! Ich habe das Gefühl , der denkt, wir sind nur zu faul, dabei stimmt es das nicht: Wir sind durcheinander, überfordert und völlig unkontrolliert und kennen einfach den richtigen Weg, um das zu überleben, nicht.”

Als dann auch noch satanische Feiertage anstanden, geriet Carlottas Persönlichkeitssystem völlig aus dem Ruder: Es wurde mit dem Personal um eine Scherbe einer zerschmetterten Tasse gekämpft . Daraufhin geflohen und versucht, durch ein Fester zu springen, was nicht gelang.

Daraufhin wurde durch einen AvD entschieden, Carlotta für 5 Stunden zu fixieren. 5-Punkt-Fixierung: Hand links fest, Hand rechts fest, Fuß rechts fest, Fuß links fest, plus Bauchgurt! Durch diesen Trigger und Zusatzmedikamenten bekam Carlotta von der Dauer der Fixierung nicht viel mit. Als sie wieder befreit wurde, fühlte sie sich dumpf und taub.

Fixiert
an den Händen , Bauch und Füßen
gegen den Kampf in mir.
Kinder flüchten, weinen,
werden stumm vor Angst,
ohnmächtig ertragen
wegen der Ohnmacht, unser Überleben zu sichern.
Ertragen, Erinnern…
Wieder…
Taumel, Aufgabe
Letzte Möglichkeit-> Überleben!

Als in den nächsten Tagen Herr Ahlfeld zur Visite kam, reagierte er entrüstet über Carlottas Zustand und den Umstand, fixiert worden zu sein. „Wenn sie es nicht schaffen, das alles zu regeln und sich ständig selbst zerstören, dann müssen wir uns wohl noch etwas anderes ausdenken! Sie können auch gern , wenn sie das nicht anders schaffen, nach Hause gehen und sich noch ein bisschen missbrauchen lassen. Wir sind hier keine Missbrauchspause! Hier wird Therapie gemacht. Und dazu benötigen wir Bereitschaft. Therapie ganz oder gar nicht! Und wenn ihnen das gefällt, können sie auch weiter allgemeinpsychiatrisch behandelt werden – mit Fixierung und so! Da habe ich kein Problem mit! …. Aber nein! Ich will nicht, dass sie fixiert werden, weder freiwillig noch sonst wie. Ich will sie nicht retraumatisieren. Das lehne ich ab! Dann müssen sie gehen! Und nun habe ich keine Zeit mehr… wir reden morgen”

Carlotta war geschockt. Sie wollte am liebsten sofort ihre Sachen packen und gegen ärztlichen Rat sich entlassen lassen:

“Pöh… wenn er will, dass wir gehen! Bitte! Kann er haben! Wenn wir seinen Ansprüchen nicht genügen, dann müssen wir uns wohl unserem Schicksal ergeben:  Oder noch besser : Sachen packen (ach… brauch ich ja auch nicht mehr!) nach Hause und zur nächsten Apotheke… Was bringt/was zählt das Leben, wenn alles nur noch Kampf und Unverstand ist? In mir wollen einige uns schaden/töten; außen wollen die Täter das auch; Stütze fehlt an allen Ecken; Kontakt zu niemandem… allein und verloren.”

Sie wollte jedoch nicht sofort dem ersten Impuls nachgeben und überlegte:

„Wollen wir mal vernünftig sein und denken: Das sagt und macht er nur, um Druck zu machen (weil wir ihm irgendwie wichtig sind). Er meint mit seinem Druck vor allem die, die das negative machen und nicht die, die kämpfen. Denn das hat er ja auch irgendwann schon mal gesagt, dass er auch die sieht, die kämpfen, und dass er das gut findet. Nur leider macht dieses Vermuten hier auch nichts wieder gut, was er mit seinen Worten und Ansprüchen und Behauptungen anrichtet. Trotzdem wollen wir mal auf das Gespräch morgen warten. Vielleicht hat er sich bis dahin auch wieder etwas beruhigt und wir auch… was weiß ich!

Was mir allerdings aufgefallen ist, dass er ständig sein Druckmittel ändert: Auf der Traumastation heißt es -> Geschlossene und Fixierung. Hier heißt es -> nach Hause, Entlassung. Ganz nach seinem Motto ”Viel Spass beim Sterben!“

Am Morgen des nächsten Tages zog Carlotta sich komplett zurück und grübelte die ganze Zeit über die Bedingungen  und Angebote Herrn Ahlfelds. In ihrem Zustand dachte sie, sie könnte all das nicht mehr aushalten und schaffen, sie wollte mit Herrn Ahlfeld Klartext reden, dass das alles viel zu viel für sie wäre und sie nicht wisse, wie sie seinen Bedingungen entsprechen könnte. Wenn er dann nichts weiter anbieten könnte, würde sie gehen wollen – ganz egal was dann passierte.

Im Gespräch dann wurde wirklich Klartext geredet, sowohl von Carlotta als auch von einigen Anteilen, die erklärten, warum sie nicht aussteigen wollten/konnten. Herr Ahlfeld gab Carlotta und ihren Anteilen noch ein paar Tage Zeit, sich zu einigen, was nun folgen sollte. Er erklärte: Solange er das Gefühl hätte, nicht alle wollen gehen und sterben oder sich den Tätern überlassen, würde er sie nicht entlassen. Aber sie hätten auch nicht ewig Zeit. Er würde seine Hilfe anbieten – allen. Und nicht einer Hälfte dies und einer anderen Hälfte das! Sie sollten die künstlichen Grenzen abbauen und aufhören zu kämpfen, sondern  versuchen gemeinsame Ziele zu erreichen.

Nach dem Gespräch fühlte Carlotta sich einerseits erleichtert, nun doch nicht zu gehen, aber auch irgendwie hilflos, weil sie ihre Entscheidung zu gehen, um endlich „Ruhe“ zu haben, doch nicht umgesetzt hatte. Trotzdem fühlte es sich eher so an, als wäre der absehbare Ausgang dessen nur verschoben. Sie hatte längst aufgehört zu glauben, es könnte eine Einigung geben.

In den nächsten Tagen hatten Carlotta und ihr System  ganz andere Probleme als sich um die Einigung zu kümmern. Denn Carlotta hatte durch eine Unachtsamkeit des Teams ein Gespräch zwischen den Schwestern mitbekommen. Carlottas Vater würde im ganzen Klinikum herumtelefonieren und versuchen, Carlotta zu erreichen oder etwas über Carlotta herauszubekommen, was besonders die Kinderanteile  in höchste Panik versetzte. Die Klinik gab aber eine Vorgabe an alle Stationen, dass in diesem Fall besonders darauf geachtet werden müsste, keinerlei Informationen herauszugegeben.

Dieser zunehmende Druck bewirkte einen „Entlassungsaufstand“ nach dem nächsten. Carlotta hatte keine Kraft mehr, gegen innen und außen zu kämpfen, zumal sie sich unfähig fühlte, irgendetwas kontrollieren oder entscheiden zu können.

Der Klinikaufenthalt dauerte insgesamt 3 Monate. Carlotta war mittlerweile 24 Jahre alt.